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Mit Tempo in die roten Zahlen: Die BVG spart nicht genug

08.07.2003

Weniger Personal, weniger Fahrten - doch dem Senat reicht das nicht
Berlins Nahverkehr fährt in die Krise. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) drohen ihr für Ende 2007 gestecktes Sanierungsziel um 240 Millionen Euro zu verfehlen. Dem Vernehmen nach erwägt der Senat, den Vertrag mit dem Unternehmen zu kündigen, wenn es bis September keine veränderte Finanzplanung vorlegt. Damit wäre unklar, wie viel Geld die BVG ab 2004 erhält. Experten fürchten, dass der Fahrplan und das Liniennetz noch stärker ausgedünnt werden müssten als ohnehin schon geplant ist. "Bislang war vorgesehen, dass das Angebot im Busverkehr um zehn Prozent verringert wird", sagte Artur Frenzel vom Fahrgastverband IGEB.

Zwar hat die BVG in zehn Jahren mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze abgebaut, die Leistung jedes Mitarbeiters stieg auf das Doppelte. Doch das reicht nicht aus. Dem Vernehmen nach muss das Unternehmen allein bei den Personalkosten zusätzlich 58 Millionen Euro sparen, damit es wie 1999 mit dem Senat vereinbart Ende 2007 keinen Verlust mehr einfährt. So hat die BVG weiterhin zu viel Personal. Längst nicht so viele Mitarbeiter wie kalkuliert wechselten zur Tochterfirma Berlin Transport, die weniger Lohn zahlt. Für andere Faktoren könne der Betrieb dagegen nichts, sagte Verdi-Sekretär Frank Bäsler. Er kritisierte den Senat, der für dieses Jahr 46 Millionen Euro weniger Zuschuss gezahlt habe als vertraglich zugesagt. Die BVG müsse diese Lücke durch Kredite schließen. Das auf Druck des Senats eingeführte Semesterticket führe zu Einnahmeeinbußen, ebenso wie andere Sonderangebote und das Verbot, 2002 die Tarife anzuheben. Zudem sei unklar, wie es mit den Ausgleichszahlungen für die Schülerbeförderung weitergeht. Bäsler: "Auch die Ökosteuer reißt ein Loch in die Kasse - und der Strom wird 30 Prozent teurer."

"Wir wollen unseren Beitrag leisten, falls sich das Land endlich zu seinem Unternehmen BVG bekennt", sagte er. Der Senat müsse der BVG auch über 2007 hinaus Konzessionen für Bus- und Bahnlinien erteilen. Werden Ausschreibungen nötig, müsse er Arbeitsbedingungen vorschreiben, die denen der BVG entsprechen. Im Gegenzug könnte die Produktivität nochmals verschärft werden. Zudem werde diskutiert, die Wochenarbeitszeit bis zu 2,5 Stunden ohne Lohnausgleich zu kürzen, aber nicht zum Nulltarif. Die Einsparung, die eine halbe Stunde weniger Arbeit bringt, muss dem Nachwuchs zugute kommen. Bei der BVG sollen 400 Ausbildungsplätze gesichert, alle Absolventen mindestens für ein Jahr und einen Tag übernommen werden. Eine Stunde weniger Arbeit pro Woche soll einem Zeitkonto gut geschrieben werden, um nach fünf Jahren abgebummelt werden zu können. Auch müssten betriebsbedingte Kündigungen für weitere zehn Jahre ausgeschlossen bleiben.

Der S-Bahn drohen ebenfalls Finanzprobleme. Weiterhin ist unklar, wie viele Subventionen sie künftig erhält. Wie berichtet, will ihr der Senat die Aufstockung des Bundeszuschusses für den Nahverkehr vorenthalten. Außerdem verschob er die für Donnerstag geplante Verhandlung über einen neuen Verkehrsvertrag auf Anfang August. Ausgerechnet jetzt plane die DB eine Anhebung der Trassenpreise, so Christfried Tschepe von der IGEB. Heute zahle die S-Bahn für die Gleisnutzung pro Kilometer 1,48 Euro plus Mehrwertsteuer: "Voraussichtlich ab Januar soll der Grundpreis 2,09 Euro plus Mehrwertsteuer betragen."

Ultimatum bis September // Fit für den Wettbewerb und mit 1,5 Millionen Euro Gewinn: So steht die BVG 2008 da. Dies sieht das im Unternehmensvertrag 1999 fixierte Sanierungskonzept BSU 2000 vor.

Neue Zahlen deuten darauf hin, dass sich dieses Ziel nicht erreichen lässt. 2002 wurde der Plan um 31,2 Millionen Euro verfehlt. Befürchtung: Bis Ende 2007 verachtfacht sich dieser Differenzbetrag.

Das Land verlangt bis September eine neue mittelfristige Wirtschafts- und Finanzplanung. Garantiert diese nicht die Einhaltung des Sanierungskonzepts, könnte der Unternehmensvertrag zu Ende 2003 gekündigt werden, so die Gewährträgerversammlung (Vorsitz: Wirtschaftssenator Harald Wolf).

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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