Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer reagierte verärgert auf die neuen Pläne. Damit würde das so genannte Pilzkonzept, auf das sich Berlin und die Bahn Mitte der 90er Jahre verständigt hatten, über den Haufen geworfen. Nach diesem dezentralen Konzept sollte die Stadtbahn die Pilzkrempe, der Tunnel den Stiel darstellen. Sieben Fernbahnhöfe hätten so erreicht werden können. Jetzt will die Bahn ihre Zahl auf vier reduzieren: Hauptbahnhof, Papestraße, Gesundbrunnen und Spandau. Junge-Reyer hält die Pläne für »verkehrspolitisch falsch«. Sie befürchtet, dass es durch die Konzentration des Fernverkehrs auf den Hauptbahnhof dort zu Problemen bei der An- und Abfahrt der Reisenden kommen wird. Denn an das öffentliche Nahverkehrsnetz ist er bisher nur schlecht angeschlossen. Der Fahrgastverband IGEB rechnet damit, dass 90 Prozent der Berliner Fernreisenden zum Hauptbahnhof oder Bahnhof Papestraße fahren müssen. Trotz kürzerer Fahrzeiten im Fernverkehr würden sie wegen der fehlenden Straßenbahn- oder U-Bahnanschlüsse insgesamt mehr Zeit benötigen. Die Bahn begründet ihre Kursänderung mit vier Minuten, die die ICEs durch den Tunnel schneller sein könnten als über die Stadtbahn. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig vermutet dagegen, dass die Bahn den »überteuerten Nord-Süd-Tunnel auslasten und die Bahnhöfe in der Ost-West-Richtung zu unwichtigen Vor-Ort-Stationen« machen will. Außerdem sollten so die riesigen Einzelhandels- und Parkflächen an Hauptbahnhof und Pape- straße besser ausgelastet werden. Die PDS-Abgeordnete Jutta Matuschek kritisierte, dass die Ostbezirke keinen Fernbahnhof mehr hätten. Die Bahn wolle offenbar ihre Fahrgäste nach ihren betriebswirtschaftlichen Plänen erziehen. »Das hat schon bei der Fahrpreisreform nicht geklappt.«
IGEB-Chef Christfried Tschepe ist entsetzt, wie sich die Politik von der Bahn vorführen lässt. Beim Senat verweist man darauf, dass man die Bahn nicht zu bestimmten Linienführungen zwingen kann. Aber noch sei das letzte Wort nicht gesprochen. »Wir sind mit der Bahn im Gespräch«, so die Sprecherin der Stadtentwicklungssenatorin, Petra Rohland.