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Bahn leitet ICE um

03.06.2005

Zug fährt nicht mehr über Stadtbahn und hält nicht an Ostbahnhof und Zoo - Kritik vom Senat
Nach Jahren gemeinsamer Planung droht zwischen Berlin und der Deutschen Bahn ein offener Konflikt um die künftige Strategie beim Schienenverkehr in der Stadt. Die Bahn will den Fernverkehr auf den Lehrter Bahnhof konzentrieren und den ICE-Fernverkehr von der Ost-West-Achse der Stadtbahn, nehmen. Statt dessen soll der ICE künftig über Spandau und Jungfernheide in den Nord-Süd-Tunnel münden. Der ICE würde damit künftig, wie Bahnchef Hartmut Mehdorn bereits angekündigte hatte, nicht mehr am Bahnhof Zoo halten und allenfalls selten am Ostbahnhof.

"Mir ist dieser Kurswechsel der Bahn absolut unverständlich. Sie weicht damit von unserem gemeinsamen Konzept ab, das eine dezentrale Struktur vorsieht", sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Das Umschwenken der Bahn mache es nötig "das gesamte Verkehrskonzept für Berlin zu überarbeiten". "Der Lehrter Bahnhof verfügt nicht über die nötige Infrastruktur für die Abwicklung des überwiegenden Teils des ICE-Verkehrs. Wir müßten über die Straßenführung, weitere Parkmöglichkeiten und eine bessere Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nachdenken", sagte Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Gleichzeitig blockiere die Bahn die bessere Anbindung von Bahnhöfen, kritisiert die Senatsverwaltung: "Der Lehrter Bahnhof sollte von der S 21 angefahren werden, doch die Bahn hat erklärt, sie schafft das nicht. In der Senatsverwaltung rechnet man nun damit, daß die Bahn für den Lehrter Bahnhof zusätzlich einen Busbahnhof fordert. "Dafür gibt es jedoch noch keine Planung, es ist nicht einmal Platz dafür vorgesehen", so Rohland. Beim Senat ist man nicht nur über das Vorgehen der Bahn verärgert, das Konzept des Konzern paßt schlicht nicht zu dem des Landes Berlin. "Die Konzentration auf einen Bahnhof führt zur Verkehrsballung dort, lockt weiteren Verkehr in die City, und genau das wollen wir vermeiden", so Petra Rohland.

Der Berliner Fahrgastverband Igeb kritisierte die Planung der Bahn ebenfalls scharf.

Senatorin Junge-Reyer setzt nun auf Gespräche mit dem Konzern. Rechtliche Instrumente habe Berlin nicht, man könne der Bahn nicht vorschreiben, wo sie Haltepunkte einrichte. "Aber ich hoffe, die Bahn erkennt, daß die Konzentration des ICE auf den Lehrter Bahnhof nicht kundenfreundlich ist", so die Senatorin.

Bei der Bahn hieß es zur Änderung beim ICE, er bringe den Kunden eine Zeitersparnis von vier Minuten, da weniger Stopps anfielen. Darüber hinaus müsse man das sogenannte Pilz-Konzept ändern, da derzeit weit weniger Fahrgäste den ICE von und ab Berlin nutzen, wie ursprünglich gedacht.

Berlin und die Bahn hatten sich 1992 in gemeinsamen Planungen auf ein Schienenverkehrskonzept geeinigt, das sogenannte Pilz-Konzept. Es sah Schienenfernverkehr an den fünf Haupthaltepunkten Lehrter Bahnhof, Zoo, Ostbahnhof, Südkreuz und Gesundbrunnen vor. Dazu kamen die Bahnhöfe Spandau und Lichtenberg. Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte vor zwei Wochen in Berlin angekündigt: "Beim Lehrter Bahnhof wäre es auch eine Nummer kleiner gegangen. Aber jetzt haben wir ihn und machen das beste daraus." Wie da die Ankündigung der Bahn dazu passe, alle ICE-Züge künftig im Untergeschoß einfahren zu lassen und nicht unter dem Glasdach, versteht beim Senat niemand: "Wir haben einen repräsentativen Bahnhof, Touristen könnten mit Blick auf den Reichstag ankommen - und landen im Keller", so Rohland.

Autor/Agentur: Nikolaus Doll
Quelle: Die Welt
Medium: Tageszeitung
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