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Integrierter Abstandhalter

23.07.2005

Fahrgäste bewerten Kunststoffsitze in der U-Bahn überwiegend positiv
Auf die Fahrgäste der Berliner U-Bahn kommen harte Zeiten zu. Denn in den kommenden Monaten wollen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) darüber entscheiden, ob sie in weiteren U-Bahnen die Polsterbänke durch Sitzschalen aus Kunststoff ersetzt. Ein Versuch in einem Wagen, der vor allem auf der Linie U 6 unterwegs ist, sei von den Fahrgästen größtenteils positiv bewertet worden - vor allem von Frauen. "Zum Jahresende möchten wir uns noch einmal die Resonanz bei unseren Kunden ansehen", teilte die BVG gestern mit. "Danach fällt die Entscheidung, ob wir auch andere U-Bahn-Wagen umrüsten" - dann aber in größeren Stückzahlen.

980 000 Euro musste das Landesunternehmen allein im vergangenen Jahr ausgeben, um aufgeschlitzte und bemalte Polstersitze zu reparieren oder zu ersetzen. In den Jahren davor waren die Schäden ähnlich groß. Darum sucht die BVG seit längerem nach Alternativen zu den leicht zerstörbaren Polstern. Schließlich fand sie einen möglichen Ersatz - und baute ihn im Juni 2004 probeweise im U-Bahn-Wagen 2924 ein: Hartschalen aus Kunststoff, grau-pink-lila gemustert und mit einer glatten, leicht abwischbaren Oberfläche. Jeder Fahrgast sitzt in einer kleinen Vertiefung. Seitliche Erhöhungen dienen als Abstandhalter - sie verhindern, dass Sitznachbarn allzu nahe heranrutschen. "Das haben vor allem die Frauen lobend hervorgehoben ", sagte ein BVG-Mitarbeiter. So hätten bei einer Kundenbefragung 78 Prozent der weiblichen Fahrgäste die harten Sitzmulden positiv bewertet. Bei den männlichen Fahrgästen waren es 54 Prozent.

Gute Noten bekamen die Kunststoffsitze auch für ihre im Vergleich zu Polstern größere Hygiene und für die Widerstandsfähigkeit gegen Vandalismus. Bei Berlinern, die Auto statt BVG fahren, war die Resonanz allerdings meist negativ.

Als Kostensenker hätten sich die Sitze jedenfalls bewährt. Bislang verzeichnete das Unternehmen bei ihnen keinen einzigen Fall von Vandalismus - wenn man davon absieht, dass Fahrgäste einen Teil der auf den Lehnen angebrachten BVG-Logos abrissen. An ihrer Stelle sollte später Werbung aufgeklebt werden, um die Umrüstung zu finanzieren.

Mit dem Partyzug auf Tunneltour

Der Fahrgastverband IGEB hat seinen Widerstand gegen die Kunststoffmulden aufgegeben. "Die Fahrgäste müssen auf Komfort verzichten, wenn sie statt auf weichen Polstern auf hartem Kunststoff Platz nehmen müssen. Wir finden es schade, dass die BVG über eine solche Umrüstung nachdenken muss. Doch sie kann die Welt nicht ändern," sagte der Vize-Vorsitzende Jens Wieseke. Wenn sich die Vandalismusschäden nicht anders begrenzen lassen, "müssen wir das wohl akzeptieren", so Wieseke.

Zwei Wagen werden jedoch mit Sicherheit davon verschont bleiben: Die BVG denkt darüber nach, sie zu einem "Partyzug" umzubauen, mit einer Bar und gemütlichen Sitzgelegenheiten. 2006 könnte das Kleinprofil-Fahrzeug, das für alle Linien geeignet ist, in den Betrieb gehen - als Sonderzug, den Private und Firmen chartern können, oder als Salonwagen bei Tunnelrundfahrten mit dem offenen "U-Bahn-Cabrio".

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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