[ Zurück ]

Verfassungsschützer bitten Informanten: Ruf mich an!

24.07.2005

Zwei Hotlines geschaltet / Keine BVG-Taschenkontrollen
Der Berliner Verfassungsschutz hat nach den Terroranschlägen in London Hinweistelefone in türkischer und arabischer Sprache eingerichtet. Nach Angaben des Verfassungsschutzes sollen die Hotlines helfen, terroristische Aktivitäten und Anschlagsplanungen rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Die neuen Telefonanschlüsse sind nach Angaben eines Verfassungsschutzsprechers seit Freitag in Betrieb. Der Anschluss in türkischer Sprache ist unter 030/90 12 9-401 erreichbar und der in arabischer Sprache unter 030/90 12 9-402. Beide Telefone sind montags bis freitags in der Zeit von 9 bis 15 Uhr erreichbar. In der übrigen Zeit sind Anrufbeantworter geschaltet, die regelmäßig abgehört werden. Hinweise würden auf Wunsch vertraulich behandelt, versicherte die Behörde. Die Verfassungsschutzmitarbeiter, die an den Telefonen sitzen, sind Muttersprachler. "Das sind Leute, die schon jahrelang im Bereich der Terrorabwehr und der Extremismusbekämpfung arbeiten", sagte ein Verfassungsschützer.

Wieder verdächtige Gepäckstücke

Die Anschläge haben auch Berliner Sicherheitsbehörden nervös gemacht. Immer wieder wird die Polizei wegen Bombenverdachts gerufen. So sorgten am Freitag ein vergessener Koffer an einer Bushaltestelle an der Urania sowie ein Rucksack am Kurt-Schumacher-Damm für Unruhe. Die Polizei sperrte weiträumig ab. Das Gepäck stellte sich in beiden Fällen als harmlos heraus.

Seit den Anschlägen sind nach Angaben eines Polizeisprechers in Berlin verstärkt Streifen im öffentlichen Nahverkehr mit dem Ziel unterwegs, "möglichst unauffällig der Prävention nachzugehen". Das heißt: Mehr Polizisten in Zivil beobachten in der U-Bahn die Fahrgäste. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, glaubt nicht, dass die Sicherheitsbehörden angemessen auf einen Anschlag reagieren können: "Unter den derzeitigen Gegebenheiten könnten wir einem Terrorakt von Londoner Ausmaßen nicht begegnen", sagte er am Freitag. Die Einsatzfähigkeit der Behörden sei eingeschränkt. "In den vergangenen Jahren wurden bei der Berliner Polizei und Feuerwehr Personal- und Sachmittel derartig zusammengestrichen, dass heute gerade noch der tägliche Dienstbetrieb aufrechterhalten werden kann."

Nach den erneuten Explosionen in der Londoner U-Bahn kündigte die BVG am Freitagmittag zunächst eine rechtliche Prüfung an, ob sie Taschen ihrer Fahrgäste kontrollieren darf. Stichprobenartige Kontrollen in der U-Bahn hat zum Beispiel New York angekündigt. Doch von der BVG kam ein negatives Ergebnis. "Die BVG wird das Gepäck ihrer Fahrgäste nicht kontrollieren", sagte Klaus Wazlak, der Sprecher des Landesunternehmens. So etwas dürfen nur Polizeibeamte. Private Wachschützer auf den Bahnsteigen können nur dann in die Taschen der Reisenden schauen, wenn diese sie freiwillig vorzeigen. Weigern sich die Fahrgäste, dürfen sie trotzdem nicht abgewiesen werden, denn das Verkehrsunternehmen hat eine Beförderungspflicht.

Auch Deutsche Bahn und S-Bahn haben keine Taschenkontrollpläne. "Das wäre auch purer Aktionismus", sagte Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. Selbst Stichproben würden einen enorm hohen Aufwand und Wartezeiten verursachen. Die U-Bahn wird täglich für rund eine Million Fahrten genutzt und hat 170 Bahnhöfe, von denen fast jeder mindestens zwei Eingänge hat. Wieseke fordert, die Einsparungen beim Aufsichtspersonal auf den Bahnsteigen zu stoppen.

Bombenanschläge auf den Berliner Nahverkehr liegen mittlerweile mehr als sechs Jahrzehnte zurück, so Wieseke. Während des Zweiten Weltkriegs zündeten polnische Untergrundgruppen Sprengsätze im Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn.

Autor/Agentur: Andreas Kopietz und Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
[ Zurück ]