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Pannenprojekt S21

08.02.2017

Grundwasser bremst Berliner S-Bahn-Bau
Es ist ein Verkehrsprojekt, das unter keinem guten Stern steht. Weil immer wieder neue Schwierigkeiten auftauchen, kommt der Bau der zweiten Nord-Süd-S-Bahn nicht voran. „In die Baugrube dringt Grundwasser ein“, sagt Christian Beckmann von der Deutschen Bahn (DB) Netz. Die Probleme sind so gravierend, dass niemand mehr offiziell mitteilen will, wann die Strecke zwischen dem Nordring und dem Hauptbahnhof fertig wird. „Wir können keine Jahreszahl für den ersten Abschnitt der S 21 nennen“, bedauert Beckmann. Bahnintern heißt es, dass dort die ersten Züge frühestens 2020 fahren können.

S-Bahn-Linie S 21 – das ist der Arbeitstitel für die S-Bahn-Trasse, die von den Ringbahnhöfen Westhafen und Wedding nach Süden verlaufen soll. Der erste Abschnitt führt zum Hauptbahnhof. Das Kürzel S 21 erinnert an ein weiteres Pannenprojekt – Stuttgart 21, die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Immerhin müssen sich die Berliner Planer nicht mit protestierenden Bürgern auseinandersetzen. Doch mit Hindernissen haben auch sie zu tun. Ihr Bauprojekt hat nasse Füße.

„Ohne Verkehrswert“

Trotz vieler Anstrengungen ist es bislang nicht gelungen, das Grundwasser in Schach zu halten. Zunächst sickerte nahe der Ausfahrt des Straßentunnels unter dem Tiergarten zu viel Nässe ein. „Inzwischen sind neue Grundwasserprobleme aufgetaucht“, berichtet Christfried Tschepe vom Fahrgastverband IGEB, der das Projekt S 21 gut kennt. „Wir sind dabei, die Bautechnologie zu verfeinern“, teilte Bauingenieur Christian Beckmann mit.

Auch im Nordteil sind Feuchtigkeitsprobleme sichtbar. Darauf deuten Fotos hin, die dem Berliner Kurier und der Berliner Zeitung zugespielt wurden. Deutlich sind Wasserflecken zu erkennen, auch an der Abschlusswand am hinteren Ende. Feuchtigkeit schimmert an den Metallplanken. Zum Abpumpen liegen dicke Schläuche in dem Tunnel.

So viel steht fest: Der erste Abschnitt der S 21 ist mit seinen 3,8 Kilometern nicht lang, aber das Projekt hat es in sich. Eine Zeit lang hieß es, dass 2015 die erste S-Bahn fährt. Dann war von 2017 die Rede, von 2019. Nun wird gesagt: „Die Zeitpläne sind angespannt.“ Es dauere ein Jahr länger – mindestens. Die Mehrkosten des Projekts, das anfangs auf 227 Millionen Euro veranschlagt wurde, sind nicht beziffert.

Dabei wurde der erste Abschnitt bereits abgespeckt. Anstatt in einer Tunnelstation neben dem Hauptbahnhof sollen die S-Bahnen vorher enden – an einem provisorischen Bahnsteig, der nördlich der Invalidenstraße im Tunnel entsteht. Die Zwischenlösung kostet zusätzliches Geld, etwa für Brandschutz und einen Aufzug. Von 20 Millionen Euro ist die Rede – ohne dass entschieden ist, wer die Kosten übernimmt, das Land oder die DB.

Der Fahrgastverband lehnt die Minilinie ab. Sprecher Jens Wieseke: „Rein dekorativ, ohne Verkehrswert, so lange nicht ein Zwischenhalt am Wohngebiet Heidestraße gebaut wird“ – an der Perleberger Brücke.

Mit der Streckenverkürzung reagierten die Planer auf ein weiteres Problem: Schlampereien beim Bau des Hauptbahnhofs. Zu dem Milliardenprojekt gehörte es auch, Vorsorge für den Bau der S-21-Tunnelstation zu treffen. Doch die unterirdischen Bauteile sind teilweise unbrauchbar.

Der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte darauf gedrängt, dass der Hauptbahnhof zur Fußball-WM 2006 fertig wird. Das erzwungene Tempo wirkte sich negativ auf die Qualität der Vorleistungen aus. Bauteile müssen abgerissen und neu errichtet werden. Wie berichtet führt das auch dazu, dass ein Eingang zum U-Bahnhof Hauptbahnhof neu gebaut werden muss. Kosten: rund vier Millionen Euro.

Neue Station am Gleisdreieck

In ferner Zukunft soll die Nord-Süd-S-Bahn weiter nach Süden verlaufen. Auch der zweite Bauabschnitt hat es in sich. Das geplante Teilstück Hauptbahnhof – Potsdamer Platz führt mitten durch das Regierungsviertel, ein sensibler Bereich. Derzeit ist geplant, dass das Reichstagsgebäude unterirdisch umfahren wird. Ein Plan sieht vor, das Bauwerk in die Zange zu nehmen. Eine Röhre soll westlich, die andere östlich des Bundestagssitzes verlaufen.

„Gut möglich, dass der dritte und südlichste Abschnitt der S 21 als erster fertig wird“, sagt Tschepe – obwohl die Planung für das Teilstück Potsdamer Platz – Yorckstraße noch gar nicht begonnen hat. „Wir wollen dieses Teilprojekt beschleunigen“, so der DB-Konzernbevollmächtigte für Berlin, Alexander Kaczmarek. Es gab erste Gespräche. „Das Land hat ein großes Interesse an diesem Abschnitt.“ Der Fahrgastverband auch: „Am Gleisdreieck ist eine Umsteigestation zur U-Bahn geplant“, so Tschepe. „Davon werden viele Fahrgäste profitieren.“

Autor/Agentur: Peter Neumann mit mbö
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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