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Bessere Pendelverbindungen könnten Wohnungsmarkt entlasten

03.04.2017

Jedes Jahr ziehen 30.000 Berliner ins Brandenburgische. Im Speckgürtel wird reichlich gebaut. Knapp 200.000 Menschen pendeln täglich, nirgendwo in Deutschland steigt die Zahl der Pendler schneller - und oft ist der Arbeitsweg ein Leidensweg.
Schlechte Anschlüsse, überfüllte Bahnen, teure Tickets: Es hakt bei der Verkehrs-Verzahnung zwischen Berlin und Brandenburg. Pendlern wird das Leben schwer gemacht. Es gibt viele Beispiele: Am Karower Kreuz wird ein Jahr lang gebaut, für manche Pendler bedeutet das 90 Minuten mehr Fahrzeit pro Tag. Auf der Verbindung zwischen Cottbus und Berlin hält der Zug in einigen Orten nicht mehr. Von Werder nach Berlin sind die Züge überfüllt. Es können nicht mehr Züge eingesetzt werden, denn die Fahrt durch Berlin ist ein Nadelöhr. In Mahlsdorf fehlen hunderte Pendlerparkplätze für Umsteiger auf die S-Bahn.

3.000 Euro für die Jahreskarte

Martin Riess lebt mit seiner Frau und den vier Kindern in Wittenberge. Die Wohnkosten sind niedrig hier, sagt der Manager einer Online-Handelsplattform. Außerdem würde man in Berlin sehr beengt wohnen. Zudem seien Mieten und Kaufpreise für Wohnungen enorm gestiegen.

Sein Arbeitsort ist am Potsdamer Platz in Berlin. 54 Minuten mit dem IC oder EC bis zum Berliner Hauptbahnhof machen es möglich, die Vorteile von Großstadt und Landleben miteinander zu verbinden. Einziger Wermutstropfen ist der Preis: Die Jahreskarte für die Fernzüge kostet gut 3.000 Euro. Nicht gerade billig, findet Riess.

Konkurrenz statt Kooperation?

Der Fahrgastverband IGEB beklagt, dass beiden benachbarten Bundesländer sich wie Konkurrenten benehmen. "Berlin mag den Regionalverkehr nicht, Brandenburg mag die S-Bahn nicht", sagt der stellvertretende Verbandvorsitzende Jens Wiesecke dem rbb. Dabei zögen die Berliner bereits in den sogenannten zweiten Städtering, also nach Eberswalde, Angermünde, Brandenburg an der Havel oder Zossen. Es müsse dringend in die Strecken investiert werden, sagt Wieseke.

Zum einen müsse die S-Bahn in den Pendel-Stunden nach Oranienburg, Hennigsdorf, Strausberg, Oranienburg und Blankenfelde im 10-Minuten-Takt fahren. Dafür wäre ein zweigleisiger Ausbau nötig. Zum anderen müssten mehr Züge in Brandenburg eingesetzt werden, schnelle Züge, die nur in größeren Städten halten, und dazwischen solche, die an "jeder Milchkanne" stoppen. "Man muss die Märker draußen abholen", sagt Wieseke.

Konkrete Pläne in Brandenburg

Die Zahl der Berlin-Pendler steigt jedes Jahr um mehrere 10.000. Im Berliner "Stadtentwicklungsplan Verkehr 2025" heißt es ziemlich allgemein, man wolle die Verflechtung mit Brandenburg intensivieren und länderübergreifende Angebote verbessern. Die Brandenburger "Mobilitätsstrategie 2030" ist wesentlich konkreter. Hier wurde eine ganze Seite mit Vorhaben aufgelistet, zum Beispiel ein Stundentakt in der gesamten Hauptstadtregion, Anschluss-Sicherung zwischen Bus und Bahn, mehr oder längere Züge auf den überfüllten Pendlerstrecken sowie mehr Stopps im ländlichen Raum.

Berliner Wohnungsmarkt könnte entlastet werden

Berliner könnten von guten Verbindungen nach Brandenburg profitieren. Um bis zu 70 Prozent sind die Angebotsmieten in einigen Bezirken in den letzten zehn Jahren gestiegen. Um eine bezahlbare Wohnung innerhalb des S-Bahn-Rings zu finden, muss man teilweise mehr als 80 Bewerbungen schreiben, und zahlt dann doch oft zehn Euro kalt pro Quadratmeter. Ein besserer Nahverkehr zwischen Stadt und Land würde den angespannten Wohnungsmarkt entlasten, die Zahl der Autos auf Berlins Straßen senken und die Arbeitskräfte-Situation in Berlin verbessern.

Umgekehrt profitiert Brandenburg von guten Verbindungen, weil die Menschen Zugang zu einem wachsenden Arbeitsmarkt bekommen und die Entsiegelung der Fläche gebremst wird. "Wir sind eine Region", sagt die Brandenburgische Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung Kathrin Schneider (SPD). "Wir brauchen ein gemeinsames, gut abgestimmtes Verkehrsnetz. Wir wollen es weiter verbessern und sind dazu auf allen Ebenen mit Berlin im Gespräch."

Berlin wächst entlang der Schienenwege ins Land Brandenburg

Die Länder verschmelzen in Bezug auf die Besiedelung bereits miteinander, auch wenn die Fusion 1996 scheiterte. Der Siedlungsstern (siehe Grafik unten) zeigt, wie Berlin ins Brandenburgische hineinwächst. Regionalpolitiker betonen, wie wichtig eine funktionierende Anbindung an die Bundes-Hauptstadt ist. Seit die S-Bahn bis Strausberg Nord vom 40 Minuten-Takt auf 20 Minuten-Takt umgestellt wurde, kämen nicht nur mehr Ausflügler nach Strausberg, sondern auch mehr Wohnungssuchende Berliner, sagt die Strausberger Bürgermeisterin Elke Stadeler (parteilos). Der Zuzug sei derzeit stark, fügt sie hinzu. "Wir profitieren extrem von der Verkehrsader S-Bahn." Andererseits gibt es Orte wie Rüdersdorf, wo sogar Wohnungen abgerissen werden, weil es die Anbindung ungenügend ist.

Der Siedlungsstern Berlin Brandenburg zeigt, wie die Hauptstadt an den Verkehrsadern entlang wächst. Beide Länder wollen den Wohnungsbau vor allem in diesen Bereichen weiter entwickeln. Dazwischen sollen Naturflächen freibleiben.

Die Grafik zeigt aber auch, wie das Wachstum zum Beispiel an Rüdersdorf vorbeigeht: Ohne Bahn bleibt der Zuzug aus. David Eberhart vom Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen fordert deshalb, dass sich "Berlin und Brandenburg noch viel stärker als eine Region verstehen, vor allem auch in Sachen Mobilität." Konkret erwartet er genau wie der Fahrgastverband, dass Taktungen nach Brandenburg erhöht und Fahrzeiten reduziert werden. An den Bahnhöfen dürfe nicht Schluss sein, die Verbindungen müssten bis in die Brandenburgischen Städte hinein führen, sagt er. Viel Aufwand meint Eberhart, doch es würde sich lohnen für mehr Wohnraum im Land Brandenburg - auch für Berliner.

Autor/Agentur: Jana Göbel
Quelle: rbb
Medium: Fernsehen
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