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Verlängerung der U5

22.03.2017

Ein ganz besonderer Durchbruch
Berlin - Es war 11.11 Uhr, als etwa 15 Meter unter der Straße Unter den Linden ein Trennschleifer kreischte. Als Nächstes hörte die Festgesellschaft, die sich am Mittwoch im Untergrund versammelt hatte, kräftige Schläge eines Vorschlaghammers.

Und dann war es so weit: In der Betonwand am Ende des U-Bahnhofs Brandenburger Tor tat sich eine kleine Öffnung auf. Michael Kolmsee, Spitzname „Paule“, schlüpfte hindurch und überreichte Sigrid Evelyn Nikutta, der Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), einen Strauß Blumen. Die letzte Wand ist durchstoßen, der Durchbruch beim Weiterbau der U5 geschafft. „Nun kann man hier vom Hauptbahnhof bis nach Hönow laufen“, so Nikutta.

Natürlich ist es nicht erlaubt, auf Gleisen zu wandern. Sie sind für die U5 da, die ab Dezember 2020 vom Hauptbahnhof nach Hönow fahren soll. Doch der 22 Kilometer lange Spaziergang durch Berlin wäre jetzt tatsächlich möglich, nur zwei Stahltüren müssten durchschritten werden. Mit dem Abbau der ein Meter dicken Stahl- und Betonwand, der am Mittwoch begonnen hat, fällt das letzte Hindernis im Untergrund.

Ein Puzzle mit fast 2150 Teilen

In einigen Tagen, wenn Kolmsees Kollegen von der Firma Implenia die letzten Reste der Wand entfernt haben, können die Arbeiter vom U-Bahnhof Brandenburger Tor, wo jetzt noch dieStrecke vom Hauptbahnhof endet, erhobenen Hauptes in den Tunnelrohbau für die U 5 gelangen. Die beiden 1,6 Kilometer langen Röhren, die aus 2147 Betonteilen bestehen, wurden von einer riesigen Bohrmaschine gebaut. An der Schnittstelle vor der Russischen Botschaft gab es bisher nur einen niedrigen Durchlass für Notfälle.

Die Rohbauarbeiten für den U-Bahn-Lückenschluss in Mitte sind nun beendet. „Ein Meilenstein für das Projekt U5“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er hatte zwar noch einen anderen Termin – die Vereidigung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Doch beim Durchbruch wollte Müller auf jeden Fall dabei sein. Schließlich ist die U5 eines der wenigen Großprojekte, bei denen Zeit- und Kostenplan schon lange nicht mehr korrigiert werden mussten. „Wir haben diverse Erfahrungen mit Bauvorhaben. Nicht alle funktionieren reibungslos und gut.“

Die größeren Probleme liegen bereits einige Jahre zurück. Ein riesiger Findling lag der Tunnelbohrmaschine im Weg, zu viel Grundwasser drang in die unterirdische Baustelle ein. Der schwierige Untergrund im Urstromtal führte zu Risiken, die das Projekt um ein Jahr verzögerten. Auch der Kostenplan für die 2,2 Kilometer lange U-Bahn-Neubaustrecke mit drei Bahnhöfen musste korrigiert werden: von 433 Millionen auf 525 Millionen Euro.

„Vor der Hacke ist es duster“ – das ist ein alter Bergmannsspruch, den Jörg Seegers von der Projektrealisierungs GmbH U5 bei jeder Gelegenheit zum Besten gibt. Zwar bot der Durchbruch am Mittwoch einiges für Auge und Ohr. Doch ein viel spannenderer Teil des U-Bahn-Projekts spielt sich östlich davon ab: die Vereisung des Untergrunds rund um den Spreekanal. Mit Hilfe einer minus 40 Grad Celsius kalten Salzlösung wird im Boden ein voluminöser Eisblock entstehen, in dessen Schutz der U-Bahnhof Museumsinsel ausgebaut wird. „Das Eis hält das Grundwasser ab, sonst würden wir absaufen wie die Karnickel“, so beschrieb es Peter Hoppe, Projektleiter bei der Baufirma Implenia.

Im Boden lauern weitere Findlinge

Für die Rohre, in denen die kalte Sole zirkulieren soll, müssen 100 Löcher in den Boden gebohrt werden. „Ein Drittel ist fertig“, sagte Hoppe. „Jetzt geht es unter den Tunnelröhren weiter.“ Und dort könnten böse Überraschungen lauern. Denn Geologen haben herausgefunden, dass dort eine Mergelschicht verläuft – ein Gestein, das Kalk und Ton enthält. Auf Mergel liegen oft Findlinge, die den Bohrern gefährlich werden können. Gibt es zu viele große Steine, „dauert es länger“, so Hoppe. Dann könnte der Zeitplan, die Strecke Ende 2020 zu eröffnen, wanken. Puffer gibt es darin kaum noch.

So unspektakulär der Tunneldurchbruch war: Er stellte dennoch etwas Besonderes dar. Denn einen solchen Durchstoß wird es in Berlin auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich darauf verständigt, erst einmal das Straßenbahnnetz zu erweitern. Zwar überlegen die Planer, wo in der fernen Zukunft neue U-Bahn-Tunnel entstehen sollte, sagte Verkehrs-Staatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne). Aber konkrete U-Bahn-Bauprojekte seien nicht in Sicht.

Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB findet das gut: „Vorrang hat die Sanierung bestehender Strecken und der Kauf weiterer Wagen. So lange man auf dem jetzigen Netz bestenfalls einen Fünf-Minuten-Takt anbieten kann, sollte man nicht über Neubaustrecken reden.“

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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