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Streit um Dienstleister-Pläne

09.01.2018

Fahrgastverband warnt Senat vor neuer S-Bahn-Krise
Berlin - So viel steht fest: In einigen Jahren werden Berlin und Brandenburg viele neue S-Bahnen brauchen. Ein Großteil der Flotte wird ausgemustert, und weil die Zahl der Fahrgäste immer weiter steigt, ist außerdem eine Vergrößerung des Fahrzeugparks notwendig.

Um die Region vor einer erneuten S-Bahn-Krise zu bewahren, müsse der Senat rasch handeln, fordert jetzt der Fahrgastverband IGEB. „Er muss eine Entscheidung treffen – und zwar schnell“, verlangt der Vorsitzende, Christfried Tschepe.

Doch der Streit um das neue Organisationsmodell, das der Senat plant, dauert an. Mittlerweile warnen nicht nur die SPD und Linken vor den tiefgreifenden Veränderungen, die vorgesehen sind. Auch andere Experten fürchten Risiken, die Fahrgäste belasten könnten.

Der Senat steht unter Druck. Klar ist, dass er die Weichen für die Zukunft der S-Bahn zügig stellen muss. Eine rasche Entscheidung ist gefragt, denn schon ab 2023 droht eine „gravierende Kapazitäts- und Angebotslücke“, wie es in einem internen Papier heißt.

Zwangslage für die Verkehrsverwaltung

Damit 2025 die ersten Prototypen und ab 2027 die Serienfahrzeuge geliefert werden können, müsste der Kauf neuer Züge noch in diesem Jahr ausgeschrieben werden. Schließlich werden für die Ost-West-Linien auf der Stadtbahn und die Nord-West-Strecken, um die es hier geht, nicht weniger als 600 Zwei-Wagen-Einheiten gebraucht. Geschätztes Volumen des Auftrags: etwa 2,4 Milliarden Euro.

Doch die Verkehrsverwaltung ist auch noch in anderer Hinsicht in einer Zwangslage. Denn die heftige Kritik an ihren Plänen dauert an. Derzeit ist es so, dass die S-Bahn Berlin GmbH Züge kauft, wartet und betreibt – alles aus einer Hand. Künftig soll das Aufgabenspektrum getrennt werden, nach dem Motto: die einen schrauben, die anderen fahren.

Wie berichtet, soll der Fahrzeughersteller die neuen S-Bahnen auch 30 Jahre lang instandhalten – als Dienstleister. Der Fahrzeugpool soll entweder ihm oder dem Land gehören. Das Personal, das die Bahnen fährt, wird von anderen Unternehmen gestellt. Mit einer Markterkundung will der Senat ausloten, ob es Firmen gibt, die sich für sein Modell interessieren. Es wurde mit Hilfe von Beratern vom Centrum Nahverkehr Berlin ausgearbeitet.

Zu viele Verantwortliche

Doch in der rot-rot-grünen Koalition stößt die tiefgreifende Reform nur bei den Grünen und bei Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) auf Zustimmung. Der SPD-Abgeordnete Sven Heinemann bekräftigte am Dienstag seine Ablehnung und forderte, auf die Markterkundung zu verzichten: „Der Senat kann sich das Verfahren sparen. Die S-Bahn braucht nicht noch mehr Beteiligte, nicht noch mehr Schnittstellen zwischen verschiedenen Unternehmen, an denen es zu Problemen kommen kann.“

Schon jetzt sei die Verantwortung für die Strecken, die Bahnhöfe, den Fahrstrom und den Fahrbetrieb aufgeteilt. Es gebe zwei Leitstellen, die sich nicht immer einig seien. „Ich warne davor, die S-Bahn weiter zu zerstückeln“, sagte Heinemann – und ist sich mit der Gewerkschaft EVG und dem S-Bahn-Betriebsrat einig. Es drohe die Gefahr, dass sich am Ende kaum noch jemand verantwortlich fühlt.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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