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BVG

08.03.2018

Der öffentliche Schrottverkehr
Berlin - Überfüllte Wagen, Zugausfälle: Die Fahrgäste der Berliner U-Bahn leiden unter der Krise des wichtigsten Verkehrsmittels in der deutschen Hauptstadt. Jetzt zeigen neue interne Zahlen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), wie gravierend die Misere ist. „Die Lage ist katastrophal – dramatischer als bei der S-Bahn“, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB.

Nach Informationen des Berliner KURIER kamen Dienstagfrüh auf den Linien U5 bis U9 insgesamt 60 Wagen weniger als geplant in den Einsatz. Am Mittwochmorgen belief sich das Defizit auf 42 Wagen. Laut BVG werden für diese Strecken derzeit 612 Wagen benötigt. Die Ausfallquoten betrugen zehn und sieben Prozent.

Noch spürbarer ist der Mangel auf den Linien U1 bis U4. Dort fehlten Dienstagfrüh ebenfalls gemessen am aktuellen Bedarf insgesamt 58 Wagen, Mittwoch waren es 56. Für diese Linien beziffert die BVG den Bedarf derzeit auf 380 Wagen. Ausfallquote an beiden Tagen: rund 15 Prozent.

Zwar fiel auf diesen Linien keine Fahrt aus, allerdings fuhren Züge mit weniger Wagen als gewohnt, so die BVG. „Dieser Tage macht uns insbesondere in den Werkstätten die anhaltende Grippewelle zu schaffen“, erklärt BVG-Sprecher Markus Falkner. „So kam es dazu, dass ausgerechnet in diesen Tagen viel mehr Reparatur- und Reinigungsarbeiten auf eine dezimierte Mannschaft trafen und die Arbeiten nicht so schnell wie gewohnt durchgeführt werden konnten.“

Ein weiterer Faktor: „Vermehrte Vandalismusschäden, insbesondere überdurchschnittlich viele Graffiti, haben dazu geführt, dass vermehrt Züge in die Werkstätten geführt werden mussten.“

Für diese Erklärung können die jüngsten Zahlen jedoch nicht als Beleg herangezogen werden. Wegen Vandalismus’ standen am Dienstag 24 Wagen nicht zur Verfügung, am Mittwoch acht. Gravierender ist, dass die Flotte recht alt ist: auf den Linien U1 bis U4 im Durchschnitt 30 Jahre. Die ältesten Oldtimer erleben bald den 62. Jahrestag. Viele U-Bahn-Wagen stehen in den Werkstätten – am Mittwoch waren es 390 von insgesamt 1284. Davon waren 126 Wagen nicht einsatzbereit, weil sie instand gesetzt werden. 16 Wagen pausierten, weil Material fehlt. 56 Wagen werden als „abgestellt“ verzeichnet.

„In früheren Jahren war meist nur von der Krise bei der S-Bahn die Rede. Jetzt müssen wir feststellen, dass wir eine Krise bei der BVG haben“, sagt Wieseke. Am Mittwoch belief sich die Ausfallquote bei der S-Bahn lediglich auf vier Prozent.

Mit mehr als einer halben Milliarde Fahrgästen pro Jahr ist die U-Bahn der bedeutendste Verkehrsträger in Berlin. Allerdings müssen Beschäftigte und Fahrgäste ausbaden, dass das Landesunternehmen zu wenig in den Fahrzeugpark investiert habe, so Wieseke. „Wir haben es mit jahrelangen Versäumnissen zu tun.“

Dabei hat die BVG derzeit sogar noch Glück. Weil Strecken wegen Bauarbeiten gesperrt sind, braucht sie weniger U-Bahnen. Hinzu kommt, dass auf der U7 der Fahrplan leicht ausgedünnt worden ist. Ohne diese Einschränkungen bräuchte die BVG für die Linien U1 bis U4 insgesamt 404 Wagen, für die übrigen Linien 648 Wagen. Der Mangel wäre dann noch größer.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Kurier
Medium: Tageszeitung
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