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Ausfälle, Verspätungen, kein Bier

11.10.2018

Deutsche Bahn hat ein massives Toiletten-Problem
Doch, das kommt vor. Manchmal klappt bei einer Bahnreise einfach alles. Aber nicht selten ist es leider anders: Der Zug kommt zu spät, die Anzeige reservierter Sitzplätze ist ausgefallen, die Bierzapfanlage im Bistro kaputt.

Jetzt gibt es neue Daten der Deutschen Bahn (DB) zu Pünktlichkeit und Technikstörungen. „Durch die jahrzehntelange massive Vernachlässigung der Bahn durch die Politik lässt die Qualität zu wünschen übrig“, sagt Matthias Gastel, der bahnpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag.

Quote von 75,4 Prozent

Im August 2018 musste die Bahn ungefähr jeden dritten Fernverkehrszug als verspätet registrieren, die Pünktlichkeitsquote war auf 69,8 Prozent gesunken. Die Bilanz für September sieht etwas besser aus: Der Anteil pünktlicher Züge im Fernverkehr ist auf 72,7 Prozent gestiegen, sagte ein Bahnsprecher am Mittwoch.

Betrachtet man den Zeitraum von Januar bis Anfang Oktober, so ergibt sich eine Quote von 75,4 Prozent. Dies geht aus internen Auswertungen hervor, die der Berliner Zeitung vorliegen. Danach war jeder vierte ICE, Inter- oder Eurocity verspätet. Dabei ist zu beachten, dass Fernzüge, die bis zu fünf Minuten und 59 Sekunden verspätet fahren, noch als pünktlich gewertet werden.

Im DB-Regionalverkehr waren im September bundesweit 93,5 Prozent aller Züge pünktlich oder maximal fünf Minuten zu spät, so die Bahn.

Im Osten ist die Bahn pünktlicher

Weil es viele Anlagen- und Fahrzeugstörungen gab, sei die Gesamtpünktlichkeit unter Plan, hieß es. „Insbesondere zwei Fälle von Vandalismus beeinträchtigten den Bahnverkehr erheblich. In Nordrhein-Westfalen zerstörte ein Brand ein Hauptsignalkabel und setzte Weichen und Signale für Tage außer Gefecht. Ebenfalls auf Vandalismus zurückzuführen sind Brände an rund 40 Kabeln, die zu tagelangen Beeinträchtigungen zwischen Hamburg und Maschen führten. Das Sturmtief ,Fabienne‘ löste in mehreren Regionen Einschränkungen aus.“

Weiterhin ist die Qualität schlechter als im vergangenen Jahr. Im September 2017 erreichte die Pünktlichkeitsquote 78,8 Prozent, im Zeitraum Januar bis Anfang Oktober 79,7 Prozent. So sieht auch der Trend bei den „Komfortstörungen“ aus, wie die Statistik für den ICE-Verkehr zeigt. Wurden im Vorjahr täglich im Schnitt knapp 61 ICE mit Ausfällen in der Bordgastronomie gemeldet, waren es von Januar bis Anfang Oktober 2018 rund 74.

Die durchschnittliche Zahl der ICE, in denen Toiletten ausgefallen waren, stieg von fast 43 auf 52 pro Tag. Auch die Anzeigen, die auf reservierte Sitzplätze hinweisen, streikten häufiger: Die Zahl der betroffenen ICE stieg von knapp 36 fast auf 47. Und auch Klimaanlagen waren öfter gestört. Die Zahl der betroffenen ICE-Fahrzeuge pro Tag nahm von knapp 24 fast auf 38 zu.

Auffällig ist, dass die Pünktlichkeitsquote des Fernverkehrs im Osten Deutschlands höher liegt als im Westen – im September betrug sie 79,2 Prozent. Eisenbahner erklären das damit, dass das Schienennetz woanders oft komplexer ist. Trotzdem: Auch in Berlin leiden Fahrgäste immer wieder unter Verspätungen.

Mehr Fahrgäste, weniger Qualität

„Es ist schlimm: Gerade jetzt, wo ein Umdenken vieler Bürgerinnen und Bürger spürbar ist und die Nachfrage steigt, sinkt die Qualität“, sagte Peter Cornelius vom Fahrgastverband Pro Bahn. „Es ist schon Jahre her, dass die Bahn eine Konzentration auf das ,Brot-und-Butter-Geschäft‘ und die Abstellung der Dauer-Mängel in den Zügen versprochen hat.“

Offizielle Daten weisen den Mangel an Zügen und deren unzureichende Wartung als eine der zentralen Ursachen für die Probleme im Fernverkehr aus, so Matthias Gastel. „Fatal sind auch die Auswirkungen der von Engpässen und vernachlässigter Infrastruktur.“ Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB sieht die Mängel mit Besorgnis. „Sicher dürften die geringen Wendezeiten der Fernzüge eine der Ursachen sein. Kommen diese, unter anderem dank der vielen Baustellen im Netz zu spät an, kann man sie nicht reparieren oder das Bistro nachfüllen“, sagte er.

„Deutsche Bahn ist zu träge“

Investitionen in die großen Knotenbahnhöfe wie Hamburg, Köln oder Frankfurt am Main seien erforderlich, forderte Gastel. Aber auch die Wartung und die Verfügbarkeit der Fahrzeuge müssten verbessert werden. „Beim Baustellenmanagement im Netz sehen wir ebenfalls Verbesserungsbedarf.“

Der DB-Konzern sollte sich auf das Kerngeschäft konzentrieren: saubere, sichere und pünktliche Züge. Schafft er das? Der Grünen-Politiker ist pessimistisch: „Nein, das sehen wir nicht. Der Konzern Deutsche Bahn AG mit über 700 Unternehmenstöchtern und Beteiligungen ist zu komplex, zu träge und in seiner Struktur kaum führbar.“

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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