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S-Bahnhof Wernerwerk

27.11.2018

Die Siemensbahn hat wieder eine Zukunft
Vorsicht bitte, mahnt der Mann im schwarzen Mantel. „Passen Sie auf, dass ihr Handy nicht durch das Loch fällt“, sagt Alexander Kacmarek. Der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Berlin steht auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Wernerwerk an der stillgelegten Siemensbahn. Vor ihm tut sich eine Öffnung auf, die den Blick auf das Pflaster unter der Hochbahn freigibt. Junge Birken sprießen, das alte Zugabfertigerhäuschen ist mit Graffiti übersät. „Das Bahnsteigdach könnte auch mal wieder gemacht werden“, scherzt Kaczmarek während des Ortstermins am Dienstag. Zwischen den Streben sieht man den Himmel.

Das ist also die alte Siemensbahn, die seit 1929 von Jungfernheide nach Gartenfeld führt. Gebaut für die vielen Menschen, die einst in Siemensstadt arbeiteten – damals hatte Siemens hier 57.000 Mitarbeiter. Viereinhalb Kilometer S-Bahn, größtenteils auf stählernen Viadukten und Brücken verlegt. Eine wichtige Strecke für den Berliner Berufsverkehr.

„Letztendlich entscheidet das Land“

Doch seit 1980 ist keine S-Bahn mehr nach Siemensstadt gefahren. 2007 beantragte die Bahn sogar, die Anlage zu entwidmen. Bis heute zahlt sie pro Jahr eine fünfstellige Summe für ihre Sicherung. Jetzt hat die Siemensbahn plötzlich wieder eine Zukunft – weil Siemens nebenan rund 600 Millionen Euro in einen Campus investiert. „Das soll in den nächsten zehn Jahren geschehen“, bestätigte Kaczmarek. „Das ist auch für uns die Größenordnung.“ Zehn Jahre, bis der Zugverkehr von Neuem beginnen könnte. Nach Gartenfeld, später vielleicht auch darüber hinaus in die Wasserstadt Oberhavel und dann nach Hakenfelde. Der Flächennutzungsplan würde das ermöglichen.

„Letztendlich entscheidet das Land“, so Kaczmarek. Der Senat bestimmt und bezahlt den Verkehr. Damit die Entscheidung eine Basis erhält, werden von der Bahn beauftragte Experten bald ausschwärmen, um die alte Trasse zu untersuchen.

Zuletzt nur 700 Fahrgäste pro Tag

Über Baukosten will Kaczmarek noch nicht sprechen. Klar ist aber, dass Denkmalpfleger mitreden werden. Im Bezirk Spandau steht die Anlage unter Denkmalschutz. Klar ist auch: Weil der Bahnhof Jungfernheide, der früher drei S-Bahnsteige hatte, umgebaut worden ist, stünden dort kostspielige Veränderungen an. Zudem wäre die Spreebrücke neu zu bauen. Aber dafür käme die Wasser- und Schifffahrtsdirektion auf, denn die alte Brücke wurde wegen eines ihrer Bauvorhaben abgebrochen.

Einst füllten nicht nur Menschen aus den Westbezirken die Züge. Obwohl die DDR etwas dagegen hatte, wenn ihre Bürger im Westen arbeiteten, fuhren auch aus dem Osten Berlins S-Bahnen nach Gartenfeld – weil die Nachfrage so groß war. 1961 schloss die DDR die Grenze. Den Mauerbau nahmen viele West-Berliner zum Anlass, die S-Bahn zu boykottieren – weil sie damals vom DDR-Unternehmen Deutsche Reichsbahn betrieben wurde. „Zuletzt fuhren nur noch Zwei-Wagen-Züge, meist leer“, erinnerte sich Kaczmarek. Rund 700 Fahrgäste pro Tag – mehr waren nicht unterwegs.

Als West-Berliner Reichsbahner im September 1980 einen Streik begannen, endete auch hier der Betrieb – und wurde danach nicht wieder aufgenommen. Der Verfall begann. Im Oktober 1980 ging die U-Bahn nach Siemensstadt in Betrieb.

Lieber Regionalzüge als S-Bahnen

Siemens begrüßt die Bemühungen, die S-Bahn zu reaktivieren. „Auf unserem Campus werden nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Wohnungen entstehen. Eine gute Verkehrsanbindung, zu der auch die Siemensbahn gehört, ist uns wichtig. Die Vereinbarung, die wie mit dem Land Berlin abgeschlossen haben, trägt dem Rechnung.“ so Sprecher Yashar Azad. „Internationale Experten werden auf unserem Campus arbeiten. Uns kommt es nicht nur auf gute Verbindungen in die Stadt, sondern auch zum Flughafen BER an. Nach unserer Einschätzung wäre eine Fahrzeit von 40 Minuten vom Campus zum Flughafen machbar.“

Mit der S-Bahn wäre das allerdings nicht möglich, sie würde mehr Zeit brauchen. Darum schlägt der Fahrgastverband IGEB vor, die Siemensbahn künftig nicht wieder mit Gleichstrom, sondern mit Wechselstrom zu elektrifizieren. Dann könnten dort schnelle Regionalzüge fahren – zum Hauptbahnhof, zum BER und nach Cottbus. Schließlich soll die Lausitz Zukunftsregion werden.

„So weit sind wir noch nicht“, entgegnete Kaczmarek. Er geht aber davon aus, dass die Siemensbahn als S-Bahn-Strecke neu entstehen wird. Auch dies müsse vom Land Berlin entschieden werden, so Kaczmarek. Siemens hat die Trasse einst bezahlt, mit 15 Millionen Reichsmark. Ein konzerneigenes Unternehmen, die Siemens-Bauunion baute sie. Am Neubau will sich Siemens nicht beteiligen. Die Vereinbarung mit Berlin sehe dies nicht vor, hieß es jetzt.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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