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Zoo auf dem Abstellgleis

08.07.2005

Deutsche Bahn stellt offiziell ihr neues Fernbahnkonzept für die Hauptstadt vor
Mit den Spekulationen ist nun Schluß: Die Deutsche Bahn wird den Bahnhof Zoologischer Garten zum Regionalbahnhof degradieren. Ab 28. Mai 2006 wird in der West-City kein Fernzug mehr halten.

Die Deutsche Bahn hat gestern ihr Fernbahnkonzept für Berlin vorgestellt. Danach werden auch weiterhin Züge über die Stadtbahntrasse rollen, jedoch lediglich am neuen Hauptbahnhof und am Ostbahnhof halten. Weitere Fernbahnhöfe sind Spandau, Gesundbrunnen, Lichtenberg, Papestraße (künftig: Südkreuz) und Wannsee.

Als "Drehscheibe im europäischen Fernverkehr" und "modernsten Kreuzungsbahnhof" bezeichnete Karl-Friedrich Rausch, Vorstand Personenverkehr der Bahn AG, den neuen Hauptbahnhof, der am 28. Mai 2006 ans Netz gehen soll. Pünktlich zur Fußball Weltmeisterschaft.

Mit der gleichzeitigen Eröffnung des Tiergarten-Tunnels, der neuen Nord-Süd-Verbindung, verkürzen sich auf vielen Strecken die Fahrtzeiten: Berlin-Leipzig etwa von knapp zwei Stunden um 40 Minuten auf 70 Minuten. Auch nach Stralsund ist man ab Berlin künftig 40 Minuten schneller.

Um in Konkurrenz zum Luftverkehr bestehen zu können, so Rausch, kämpfe man "um jede Minute". Neue Regionalbahnbeziehungen, die nun durch den Tiergartentunnel geführt würden, so erläuterte Ingulf Leuschel, Vorstandschef der DB Station & Service AG, entlasteten die Stadtbahntrasse, die an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen sei. "Die Berliner werden sich umorientieren müssen", sagte Leuschel. Die Zeit, die eingespart wird, wenn Fernzüge nicht mehr am Zoo anhalten, bezifferte Leuschel auf vier Minuten.

In einem zweiten Schritt zum 11. Dezember 2006 wird das Fernbahnkonzept vervollständigt: Die ICE-Linie Berlin-Frankfurt/M.-Basel, die ab Mai 2006 noch über die Stadtbahn zum Ostbahnhof geführt wird, verkehrt dann über Jungfernheide durch den Nord-Süd-Tunnel zum Bahnhof Papestraße (vgl. Grafik). "Das liegt daran, daß der dritte Bahnsteig erst dann fertig ist", sagte Leuschel.

"Bislang waren am Bahnhof Papestraße nur zwei Bahnsteige geplant", sagt Christfried Tschepe, Vorsitzender des Fahrgastverbandes IGEB. Der dritte würde nun anscheinend den Wünschen von Bahnchef Hartmut Mehdorn folgend "blitzartig" ausgebaut und deshalb erst im Dezember fertig. Immerhin würde nicht der gesamte Fernverkehr durch den Nord-Süd-Tunnel geführt, wie es kurzzeitig im Gespräch war. Tschepe kritisiert, daß zwar Brandenburger künftig flotter nach Berlin gelangen und in die Fernbahn umsteigen können, die Erreichbarkeit des Hauptbahnhofes für die Berliner jedoch dürftig sei. "Im Regierungsviertel gibt es an etwa 100 Tagen im Jahr erhebliche Einschränkungen durch Staatsgäste. Das macht es für die Busse der BVG schwer, den Hauptbahnhof immer pünktlich zu erreichen", prognostiziert er.

Mit Sorge betrachtet auch die IHK die Anbindung des Hauptbahnhofs in das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs. Der Bau der U-Bahn-Linie 5 müsse beschleunigt werden, forderte der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer, Christian Wiesenhütter. Das gelte auch für die geplante S-Bahn-Linie 21. Daß der Bahnhof Zoo gänzlich vom Fernverkehr abgekoppelt werde, liege nicht im Interesse der Wirtschaft. Die Bahn-Entscheidung sei um so fragwürdiger, da einige Fernzüge weiterhin über die Stadtbahn rollen und der Zeitverlust bei einem Zwischenstopp marginal wäre.

"Ein Abkoppeln des gesamten Westteils Berlins darf aber genauso wenig stattfinden, wie der Ostbahnhof als Haltepunkt im Fernbahnverkehrsnetz erhalten bleiben muß", sagt Alexander Kaczmarek, Verkehrsexperte der CDU. Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, forderte den Regierenden Bürgermeister auf, seinen Einfluß geltend zu machen, damit "sein Parteifreund Mehdorn" die Pläne verändert.

Autor/Agentur: Andrea Puppe
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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