[ Zurück ]

Tod auf den Gleisen

13.02.2008

Erneut ist eine Frau von der Straßenbahn erfasst worden. BVG bittet um mehr Aufmerksamkeit
Erneut ist in Berlin ein Mensch von einer Straßenbahn getötet worden. Am Montagabend starb die 26-jährige Annette M. aus Prenzlauer Berg, als sie an einer Haltestelle in der Greifswalder Straße von einem Zug der BVG erfasst wurde. Laut Polizei wollte sie gegen 23.15 Uhr das Gleisbett überqueren und bemerkte dabei die herannahende Bahn der Linie M 4 nicht. Zeugen versuchten, auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Leider vergebens: Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Annette M. starb noch an der Unglücksstelle. Gestern diskutierten Polizeibeamte und BVG-Mitarbeiter erneut darüber, wie sich solche Unfälle künftig verhindern lassen. "Wir können eigentlich nur appellieren, im Verkehr aufmerksamer zu sein", sagte die BVG-Sprecherin Petra Reetz.

Es ist das dritte schwere Unglück in einer Woche. Am Donnerstag kam in Mitte eine 19-Jährige ums Leben, die in der Mollstraße von einer Bahn überrollt worden war. Am Freitag wurde eine 38-jährige Frau in Prenzlauer Berg von einer Straßenbahn schwer verletzt, als sie die Kreuzung Prenzlauer Promenade/ Ostseestraße überquerte. In allen drei Fällen waren die Straßenbahnfahrer unschuldig.

Die BVG wandte sich gestern gegen Vorwürfe, dass die Tram eine unverhältnismäßig große Gefahr darstellt. Im vergangenen Jahr gab es auf deren Gleisen vier Tote. Zum Vergleich: Im gesamten Berliner Straßenverkehr kamen rund 55 Menschen ums Leben. Auch zeige die Polizeistatistik, dass die Zahl der Unglücke seit Jahren sinkt, obwohl das Gleisnetz gewachsen ist. 1999 registrierte sie auf Berlins Straßen noch 590 Tram-Unfälle - mit 186 Verletzten und sechs Toten. 2006 gab es 297 Unglücke - mit 93 Verletzten und fünf Toten. "Fast immer waren nicht die Straßenbahnfahrer, sondern andere Verkehrsteilnehmer schuld", hieß es bei der Polizei.

Der Fahrgastverband IGEB forderte gestern, die Verkehrserziehung zu verbessern. "In Schulen und Fahrschulen sollte viel stärker auf das Thema Straßenbahn eingegangen werden, damit Fußgänger und Autofahrer die Gefahr besser einschätzen können", sagte der Vorsitzende Christfried Tschepe. "Wir sind seit Längerem mit der BVG im Gespräch, wie man die Straßenbahnstrecken sicherer machen kann", sagte Polizeisprecher Frank Millert. Mehr Absperrgitter wären denkbar. Dass die "Flüster-Tram" zu leise ist, wie manche Kritiker bemängeln, glaubt er nicht. Dagegen hatten leitende Polizeibeamte nach dem Tod der 19-Jährigen auf der Mollstraße eine auffälligere Lackierung der Züge gefordert.

Tschepe hält wenig davon, Straßenbahnen mit einer neuen Warnbemalung zu versehen: "Das jetzige Gelb ist markant genug." Der Verbandschef erinnerte daran, dass Kraftfahrzeuge an erheblich mehr tödlichen Unfällen beteiligt sind als Straßenbahnen. "Doch niemand würde auf die Idee kommen, auch für Autos Signallackierungen zu fordern." Und anders als die meisten anderen Fahrzeuge in Berlin sind die Straßenbahnen bereits heute auch tagsüber mit eingeschaltetem Licht unterwegs - seit fünf Jahren schon, heißt es bei der BVG. Auch die Kritik an der geringen Lautstärke der Bahnen führe in die Irre, sagte Tschepe: "Wenn die Züge wieder quietschen würden, gäbe es zu Recht Beschwerden von Anliegern."

Autor/Agentur: Andreas Kopietz und Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
[ Zurück ]