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Ab Montag steht die Stadt still

08.03.2008

Streik in Berlin Ausstand in allen BVG-Betrieben - Auch S-Bahn bietet wegen Lokführer-Streik nur Notfallplan
Berlin steht vor dem größten Arbeitskampf im öffentlichen Nahverkehr seit Jahrzehnten. Von Montag an werden von den Gewerkschaften sowohl die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), als auch die Deutsche Bahn bestreiken. Zum Streik der BVG-Beschäftigten kommt am Montag ein gleichfalls unbefristeter Ausstand der Lokführer bei der Bahn. Das bundeseigene Verkehrsunternehmen kann deshalb nur einen stark eingeschränkten Zugverkehr aufrechterhalten. Wie schon in den vergangenen Tagen werden zudem auch alle Busse und Bahnen der BVG in ihren Depots stehen bleiben.

Die GDL will ihre genaue Streikstrategie erst noch bekannt geben. Ab Montag 0 Uhr soll aber der gesamte Fern-, Regional- und Güterverkehr der Deutschen Bahn bestreikt werden. Nach Äußerungen von GDL-Vizechef Claus Weselsky soll es dabei für Berliner S-Bahn keinerlei Ausnahme geben.

Trotz des gleichzeitig drohenden Streiks bei der S-Bahn hatte die die Große Tarifkommission des Gewerkschaft Ver.di gestern beschlossen, den am Ausstand bei der BVG in voller Härte fortzusetzen. "Es gab eine lange Diskussion unter den Kollegen darüber. Am Ende wurde entschieden, den Streik im bisherigen Umfang bis Dienstag 24 Uhr fortzuführen. Das heißt alle Betriebe, alle Bereiche werden bestreikt.", sagte Streikleiter Frank Bäsler dieser Zeitung.

Am Montagnachmittag wird das aus insgesamt 80 Gewerkschaftern bestehende Gremium erneut zusammenkommen, um die weitere Strategie zu beraten. Denkbar sei, dann einzelne Betriebe und Bereiche aus dem Streik herauszunehmen. Ob dann Busse oder Bahnen wenigstens teilweise fahren, ließ Bäsler aber offen.

Es sei auch weiterhin vorgesehen, den Streik zu den Osternferien zu unterbrechen, damit die BVG-Beschäftigten ihren Urlaub antreten können. Bäsler betonte, dass es der Berliner Senat und die BVG-Geschäftsführung selbst in der Hand haben, wie es in dem seit Wochen tobenden Tarifkonflikt weitergehen. "So bald wir ein neues verhandlungsfähiges Angebot vorliegen haben, wird der Streik ausgesetzt", sagte der Gewerkschaftsfunktionär.

Die Arbeitgeberseite lehnt ein neues Angebot jedoch weiterhin ab. "Es wird kein neues Angebot geben", bekräftigte die Sprecherin des Kommunalen Arbeitgeberverbands (KAV), Mona Finder. Das vorliegende Angebot müsse die Gesprächsgrundlage sein. "Wir sind immer verhandlungsbereit." Auch der BVG-Vorstandvorsitzende Andreas Sturmowski erneuerte seine Forderung, endlich über das Angebot der Arbeitgeber ernsthaft und sachlich zu verhandeln. Das Angebot sehe eine reale Gehaltserhöhung für alle Mitarbeiter vor, betonte der BVG-Chef.

Chaotische Verhältnisse im Berliner Nahverkehr erwartet vor allem der Berliner Fahrgastverband Igeb. "Bahn und Gewerkschaften rasen wie Stiere aufeinander zu, und der Fahrgast steht dazwischen", sagte der stellvertretende Igeb-Landesvorsitzende Jens Wieseke. Falls am Montag auch die S-Bahnen weitgehend ausfallen, werde "es sehr hoch hergehen, und die Schmerzgrenze für die Fahrgäste dann deutlich überschritten sein"", sagte Wieseke. Auch das Auto sei wegen der vermutlich verstopften Straßen dann kaum keine Alternative.

Unterdessen gibt es wegen des Bus- und Bahnstreiks Streit zwischen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und den Regierungsfraktionen. Sarrazin und die Verkehrspolitiker von SPD und Linke beschuldigten sich gegenseitig, sich unzulässig in den Tarifkonflikt einzumischen. Nachdem Sarrazin gestern seine Kritik an Ver.di wiederholte, die Gewerkschaft habe von Anfang an nicht verhandeln wollen, sondern sei auf Streik aus gewesen, schaltete sich SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller ein und rief Sarrazin und einige Koalitionsabgeordnete zur Ordnung: "Beide Koalitionsfraktionen sind sich einig, dass der Gewerkschaft Ver.di ein schriftliches Angebot gemacht werden muss."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Frank Henkel, warf dem Senat unterdessen vor, keine Deeskalationsstrategie zu haben. Henkel forderte Wowereit auf, im Tarifstreit die Initiative zu ergreifen. "Wir erwarten, dass er nach vorne tritt und führt, und nicht, dass er abtaucht." Der verkehrspolitische Sprecher der FDP- Fraktion, Klaus-Peter von Lüdeke, forderte den Senat auf, 1300 polnische Busfahrer einzusetzen, um das erwartete Chaos zu verhindern.

Autor/Agentur: Thomas Fülling, dpa
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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