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An der Schmerzgrenze scharf gebremst

10.03.2008

S-Bahn fährt planmäßig / BVG verdichtete wegen extremer Verkehrssituation vorsorglich den Notfahrplan
Nach der Streikabsage der Bahn ist heute nicht mit Einschränkungen im S-Bahn-Verkehr zu rechnen. Der normale Fahrplan gilt. Im letzten Moment wurde an der Schmerzgrenze scharf gebremst. Die BVG hatte vorsorglich angesichts der ungewissen Lage zum beabsichtigten Bahn-Streik ihren Streik-Notfahrplan geändert. Bis Redaktionsschluss blieb es bei diesen Absichten. Kürzere Taktfolgen soll es also heute geben, wo ausfallende U-Bahnen ersetzt werden, für den TXL-Bus und einige Bus- und Tram-Linien. Auf den U-Bahn-Notlinien U2, U5, U6, U7, U9 wird zwischen 6 und 21 Uhr im 10-Minuten-Takt gefahren. Die Belastung für die Bürger würde immens steigen, erklärte Andreas Sturmowski, Vorsitzender des Vorstandes der BVG. Deshalb habe man sich entschlossen, den Fahrgästen dieses Angebot zu machen.

Angesichts des angekündigten S-Bahn-Streiks hatte Sonntagmittag der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Gewerkschaft ver.di und die Lokführergewerkschaft GDL zum Verzicht auf begonnene bzw. angedrohte Ausstände aufgefordert. Ein Versuch der GDL, den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt größtenteils lahmzulegen, sei unfair gegenüber den Menschen. Diese »völlig überzogene« Streikaktion müsse durch Verhandlungen abgewendet werden. An die Gewerkschaft ver.di richtete er den Appell, im BVG-Tarifstreit endlich verhandlungsbereit zu sein, um zu einem »vernünftigen Abschluss« zu kommen.

Die Berliner mögen beim anhaltenden Nahverkehrsstreik weiter untereinander solidarisch bleiben, bat Klaus Wowereit die genervten Einwohner. Wer mit dem Auto unterwegs sei, sollte andere mit einsteigen lassen. Das könne die Belastungen ein klein wenig erträglicher machen.

Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linkspartei, hatte im BVG-Tarifkonflikt die nicht Verhandelnden auch bereits dazu aufgefordert, wieder miteinander zu reden. Von der Gewerkschaft erwarte er, dass sie die vom Land mit dem Verkehrsvertrag gegebene Bestands- und Beschäftigungssicherung bis 2020 würdigt. SPD-Politiker meldeten sich mit ähnlichen Standpunkten zu Wort. Die Notfahrpläne der Bahn sollten zunächst gültig bleiben, auch wenn der Ausstand abgewendet werden könne, hieß es bis zum Nachmittag. Ein Verkehrschaos auf den Straßen wurde befürchtet.

Die nun im sechsten Streiktag befindliche BVG wollte heute ohnehin weitere 30 Busse einsetzen, um ihren Notfahrplan aufrecht zu erhalten. Es würden aber keine zusätzlichen Strecken eingerichtet, sagte Sprecherin Petra Reetz. Mit den Bussen privater Fuhrunternehmen sollten vielmehr bestehende Notverbindungen häufiger befahren werden. Des Weiteren bestätigte sie, dass Besitzer von U-Bahn-Läden eine Sammelklage gegen die BVG wegen Verdienstausfalls anstreben.

Der Streik bei der BVG soll voraussichtlich bis 14. März andauern und möglicherweise über die Osterferien verlängert werden. Die Osterferien fangen am 17. März an. Seit Beginn des unbefristeten Streiks der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am vergangenen Mittwoch hat die BVG insgesamt 140 Busse angemietet, um wenigstens einige Verbindungen im Nahverkehr anbieten zu können. Auch heute werden die Ersatzbusse vor allem Berliner S-Bahnhöfe ansteuern. Auf die S-Bahn hatten in den vergangenen BVG-Streiktagen bis zu eine halbe Million Fahrgäste ausweichen können.

Zur Solidarität der »Nichtfahrgäste« untereinander hatte der Verkehrsverbund (VBB) eine Mitfahrkampagne initiiert. Unter dem Motto »Gemeinsam unterwegs« sollten sich Autofahrer und Fußgänger schriftlich ihr Wunschziel signalisieren. Bei aller Selbsthilfe würde im Falle eines zusätzlichen Bahn-Streiks heute die Schmerzgrenze für Fahrgäste überschritten, hieß es vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Er fordert von der Politik gesetzliche oder vertragliche Regelungen, »in denen ein Mindestangebot an öffentlichem Verkehr und eine umfassende Fahrgastinformation auch bei Streiks verbindlich festgelegt werden«.

Autor/Agentur: Almut Schröter
Quelle: Neues Deutschland
Medium: Tageszeitung
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