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Die Fahrt mit der S-Bahn als Abenteuer

28.06.2003

FAMILIEN IN BERLIN - Frauen, die im Alter nicht abgeschoben werden wollten, gründeten ein Wohnprojekt. Andere Senioren stellen sich als "Wunschomas" zur Verfügung. Busse mit Rampen erleichtern ihnen den Ausflug mit Enkel und Kinderwagen.
Für manche Kinder gibt es nichts Schöneres: "Wenn ich meinem zweieinhalbjährigen Sohn einen Gefallen tun will, dann setze ich mich mit ihm in die S-Bahn und fahre ziellos durch die Gegend", sagt ein 36-jähriger Vater aus Schöneberg. "Mein Sohn fragt mich schon jeden Morgen, ob wir wieder Bahn fahren."

Der öffentliche Nahverkehr ist für Kinder mehr als ein reines Fortbewegungsmittel, er ist Faszination und Abenteuer. Früher geriet die Fahrt mit Bus und Bahn auch für Mütter und Väter mit Kinderwagen oft zum Abenteuer: Eingänge in Bussen waren zu eng, Aufzüge auf Bahnhöfen gab es kaum. Die Situation hat sich inzwischen geändert. Von den insgesamt 1 442 Bussen der BVG sind 1 182 behindertenfreundlich oder behindertengerecht ausgestattet. Das heißt, die Busse verfügen über Rampen oder niedrige Einstiegsflächen, über die auch Kinderwagen bequem in das Fahrzeug geschoben werden können. In den hinteren Eingängen erschwert auch keine Stange mehr das Betreten des Busses. Neben der hinteren Tür befinden sich bei vielen Bussen Kinderwagentasten. Wenn sie gedrückt werden, wird die Türschließautomatik ausgeschaltet, somit können die Wagen nicht eingeklemmt werden.

Bei der S-Bahn sind von 164 Bahnhöfen mehr als 80 Prozent barrierefrei zu erreichen: sie verfügen über Aufzüge oder Rampen oder sie sind ebenerdig gebaut. Von den 170 U-Bahnhöfen sind nur 46 mit Aufzügen ausgestattet. Bei den Straßenbahnen rollen 239 Niederflurfahrzeuge durch Berlin - sie haben einen niedrigen Einstieg. Bei 589 Tram-Wagen sind beim Einsteigen noch Stufen zu überwinden.

Komfortabel haben es Mütter und Väter in den modernen Regionalzügen der Deutschen Bahn. In einigen Zügen befinden sich sogar Wickelräume. Windeln wechseln können Fahrgäste im Nahverkehr darüber hinaus in den großen Bahnhöfen des Fern- und Regionalverkehrs: In den Stationen Zoologischer Garten, Spandau, Friedrichstraße, Alexanderplatz und Ostbahnhof gibt es Wickelräume.

"In Berlin kommt man im öffentlichen Nahverkehr besser zurecht als in anderen Städten", lobt eine 38-jährige Mutter aus Zehlendorf. Die Fahrgastgemeinschaft IGEB beurteilt den öffentlichen Nahverkehr zwar ebenfalls als "überwiegend familienfreundlich". Doch sieht die IGEB noch Verbesserungsmöglichkeiten. "Die Nachrüstung der Bahnhöfe mit Aufzügen geht langsam voran", kritisiert IGEB-Sprecher Christfried Tschepe. Und die Tarife gehören laut Tschepe zu den "familienunfreundlichsten" im Vergleich zu anderen Großstädten. Dies gilt vor allem für Familien, die keine Zeitkarten haben. Eine Gruppenkarte für bis zu fünf Personen kostet 15 Euro (ab 1. August 14 Euro). In München koste ein vergleichbares Ticket dagegen nur acht Euro, in Hamburg 7,40 Euro, in Frankfurt am Main 7,70 Euro und in Düsseldorf 6,55 Euro. Die BVG begründet die Preisunterschiede damit, dass in Berlin eine größere Fläche mit Bussen und Bahnen abzudecken sei.

Für den 36-jährigen Familienvater mit BVG-Jahreskarte sind die Bahn-Ausflüge mit seinem zweieinhalbjährigen Sohn noch ein preiswertes Vergnügen: bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr fahren Kinder kostenlos.

Auf welchen Bahnhöfen es Aufzüge gibt, erfährt man beim Service-Telefon der BVG unter 19 44 9. Das Telefon ist rund um die Uhr erreichbar.

"Die Nachrüstung mit Aufzügen geht langsam voran. " C. Tschepe, Fahrgastverband.

Autor/Agentur: Ulrich Paul
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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