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Folgen für Regionalbahn „katastrophal“

26.11.2005

Heftige Kritik an Bund wegen Kürzung der Mittel für Nahverkehr
Potsdam - Der Vorschlag der neuen Bundesregierung zur Kürzung der Zuschüsse für den Nahverkehr in den Ländern stößt in Brandenburg auf heftige Kritik. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz, sagte gestern in Berlin, es gebe jetzt schon Kapazitätsprobleme auf den erfolgreichen Regionalexpresslinien im Verbund. Die von der großen Koalition geplanten Kürzungen gefährdeten die Erfolgsgeschichte im Schienennahverkehr. Die Folgen wären katastrophal. Auch die SPD-Landtagsfraktion und die Grünen lehnten eine Kürzung der so genannten Regionalisierungsmittel ab. Brandenburg müsste bei den von der großen Koalition geplanten Kürzungen in den Jahren 2006 bis 2009 mit Zuschussverlusten in Höhe von etwa 150 Millionen Euro rechnen.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Jens Klocksin, betonte: „Wir werden hier gegenhalten.“ Eine Kürzung der Regionalisierungsmittel hätte ein weiteres Ausdünnen des Regionalbahn- und Busnetzes zur Folge. Der öffentliche Nahverkehr sei jedoch ein Rückgrat der Metropolenregion Berlin-Brandenburg.

Die brandenburgische Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm warf der großen Koalition ebenfalls eine falsche Verkehrspolitik vor. Während das Geld für den Nahverkehr gekürzt werde, solle beim Straßenbau mehr ausgegeben werden. Das sei „unausgewogen und unverantwortlich“. Brandenburg müsse deshalb im Bundesrat dagegenhalten.

Am Mittwoch hatte bereits der brandenburgische Infrastrukturminister Frank Szymanski (SPD) den Bund vor möglichen Kürzungen der Regionalisierungsmittel gewarnt. Wenn es tatsächlich zu massiven Reduzierungen kommen sollte, müssten das Angebot in der Mark verringert und Regionalzüge abbestellt werden. Darüber hinaus müssten dringend notwendige Investitionen gestrichen oder verschoben werden. Auch eine Kürzung der Zuschüsse an kommunale Nahverkehrsträger sei nicht auszuschließen.

Im schlimmsten Fall zahlen Fahrgäste in Zukunft erheblich mehr Geld für den Nahverkehr – und erhalten dafür ein schlechteres Angebot. Die Absicht der Bundesregierung, die Zuschüsse im Regionalverkehr drastisch zu kürzen, wirft die gesamte Finanzierungsplanung für den Nahverkehr über den Haufen. Bisher hatten die Länder damit gerechnet, dass erst 2007 über die Zuschüsse neu verhandelt wird. Sie sind vorwiegend für den Schienenverkehr der Bahn bestimmt – aber auch für Investitionen.

Die große Koalition will, wie berichtet, bundesweit die Zahlungen an die Länder aus den so genannten Regionalisierungsmitteln verabredungswidrig kürzen. Berlin kann dabei nicht einmal groß protestieren, denn der Senat hat bereits vorgemacht, wie dies möglich ist. Bei dem im vergangenen Jahr neu ausgehandelten Verkehrsvertrag mit der S-Bahn hatte der Senat den Zuschuss aus den vom Bund erhaltenen Regionalisierungsmitteln um 26 Millionen Euro pro Jahr verringert.

Dieses Geld steckte der Senat dann der BVG zu und entlastete so den Landeshaushalt. Von Anfang an war dieses Verfahren auf Kritik gestoßen. Der Fahrgastverband IGEB hatte gewarnt, dass dies zu Kürzungen der Zuschüsse führen könnte, wenn, wie vereinbart, 2007 darüber neu verhandelt werde. Mit der Absicht, die Kürzungen vorzuziehen, zerstöre die Bundesregierung die Planungssicherheit der Länder, bemängelte IGEB-Chef Christfried Tschepe. Auch Brandenburg habe sich in der Grauzone bewegt und rund 50 Millionen Euro in den ländlichen Busverkehr gesteckt. Da der Senat durch das Verschieben der Regionalisierungsmittel von der S-Bahn zur BVG eigene Ausgaben gespart habe, müsse das Land den nun drohenden Fehlbetrag selbst aufbringen, um Streichungen im Angebot zu vermeiden, forderte Tschepe. Preiserhöhungen seien der falsche Weg.

Höhere Tarife für 2006 hat der Berliner Senat gestern erneut ausgeschlossen. Aber 2007 sollen die Preise steigen – am 1. Januar oder spätestens am 1. März. Theoretisch könnte dann durch einen „versteckten“ Zuschlag auch die Lücke aus dem Bundesgeld aufgefangen werden. Eine Tariferhöhung im Abgeordnetenhaus-Wahljahr 2006 wird auch vom SPD-Landesverband strikt abgelehnt. Stattdessen solle das Unternehmen seine Einnahmen „durch größere Experimentierfreude bei der Tarifgestaltung" erhöhen, steht in einem Antrag für den Landesparteitag am Sonnabend.

Dass das Angebot auch während der Vertragslaufzeit verringert werden kann, lassen die Verträge zu. Bereits nach den Kürzungen durch den Senat hat die S-Bahn ihr Angebot reduziert. Es gibt weniger Fahrten, und sie setzt kürzere Züge ein, die in der Innenstadt dann oft überfüllt sind.

In Brandenburg könnten von Kürzungen vor allem die Unternehmen betroffen sein, die in Ausschreibungen der Bahn gewonnen haben. Connex oder die Ostdeutschen Eisenbahnen haben neue Fahrzeuge gekauft, deren Zahl auf die bisher bestellten Fahrten ausgelegt war. Bei weniger Fahrten wären Züge überflüssig.

Autor/Agentur: mit ddp
Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten
Medium: Tageszeitung
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