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Noch jemand ohne Fahrschein?

04.12.2005

Die Schwarzfahrerquote bei der BVG ist drastisch gesunken / Vordereinstieg im Bus schreckt ab
Schwarzfahrer scheinen sich bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) nicht mehr wohl zu fühlen. Die Zahl der Fahrgäste, die ohne gültiges Ticket ertappt werden, ist stark gesunken. Meldete das Landesunternehmen vor zwei Jahren noch eine Schwarzfahrerquote von 5,7 Prozent, sind es in diesem Jahr 3,1 Prozent. Für Menschen, die aus ideologischen Gründen oder Abenteuerlust keinen Fahrschein lösen, ist die BVG ein heißes Pflaster geworden. "Jetzt erwischen wir fast nur noch diejenigen, die aus Armut schwarzfahren", hieß es. Nicht nur der verstärkte Einsatz von Kontrolleuren hat die Quote sinken lassen: Auch die Regelung, dass im Bus nur noch vorn eingestiegen werden darf, schreckt viele potenzielle Schwarzfahrer ab. Das zeigt ein aktueller Erfahrungsbericht der BVG.

Seit dem 5. April 2004 sind alle Busfahrgäste gehalten, durch die Vordertür einzusteigen. Dabei müssen sie entweder einen gültigen Fahrschein vorzeigen - oder einen beim Chauffeur kaufen. Zwar protestierte der Fahrgastverband IGEB gegen den "Gänsemarsch". Doch der BVG bringt das Zwangs-Defilee der Fahrgäste viel Geld ein, berichten Bus-Direktor Johannes Müller und Marketing-Chef Tom Reinhold in der Zeitschrift "Der Nahverkehr".

So ist die Schwarzfahrerquote in den Bussen besonders stark gesunken. Vor zwei Jahren wurden 4,5 Prozent der Busfahrgäste ohne gültiges Ticket erwischt, kurz nach der Neuregelung waren es nur noch 1,6 Prozent. Außerdem verkaufen die Fahrer deutlich mehr Tickets als früher. Die Fahrgeldeinnahmen in diesem Unternehmensbereich stiegen um 7,7 Prozent, auf ein Jahr gerechnet sind das 4,6 Millionen Euro.

Der Fahrgastverband hatte befürchtet, dass sich die Reisezeiten verlängern - weil es statt zwei oder drei Türen nur noch eine Tür zum Einsteigen gibt. Doch tatsächlich habe sich die Aufenthaltszeit an den Haltestellen kaum verändert, so die BVG. Standen die Busse vorher an allen Haltestellen im Schnitt 14,5 Sekunden, waren es danach 15,4 Sekunden. Zwar verlängerte sich an stark genutzten Knotenpunkten mit dem Bahnnetz die durchschnittliche Standzeit - von 23,3 auf 32,3 Sekunden. Doch zum Ausgleich ging es morgens und nachmittags, wenn Zeitkarteninhaber dominieren, oft zügiger voran: Den früheren Gegenverkehr im Bus gibt es nicht mehr.

Rein statistisch haben die Neuregelung im Bus und die verstärkten Kontrollen in der gesamten BVG auch einen Negativeffekt. Denn beides führte nach den Berechnungen dazu, dass der BVG im vergangenen Jahr 2,2 Millionen Fahrgäste verloren gingen - Menschen, die zuvor wohl ohne Ticket gereist sind. Doch der Verlust lasse sich verschmerzen, meinen Müller und Reinhold.

Der Fahrgastverband IGEB bezweifelt jedoch, dass die Zahl der Schwarzfahrer in den Bussen tatsächlich nachhaltig gesunken sei. "Die Fahrer haben doch gar nicht die Zeit, jede Fahrkarte, die ihnen hingehalten wird, genau zu kontrollieren. Denen könnte ich auch einen Fahrschein von vorgestern zeigen", so Verbands-Vize Jens Wieseke. Zudem führe die Neuregelung zu Konflikten: Immer öfter würden Busfahrer angegriffen, weil Fahrgäste kein Ticket vorzeigen wollen.

Wieseke berichtete auch von einem neuen Problem bei Kontrollen. Wer mit einer BahnCard eine Fernfahrkarte nach Berlin löst, darf damit auch die BVG und die S-Bahn nutzen. Nicht jedem ist jedoch bekannt, dass dieses "City-Ticket" nur für den Tarifbereich A (innerhalb des S-Bahn-Rings) und zum Bahnhof Lichtenberg gilt. Wer damit zum Beispiel in Spandau erwischt wird, muss 40 Euro zahlen. "Eine nicht nachvollziehbare Regelung", sagte Jürgen Czarnetzki von der Initiative Spandauer Verkehrsbelange 73.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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