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Skepsis gegenüber Sanierungsplänen des BVG-Chefs

14.02.2003

Fahrtgastverband sagt Chaos im Nahverkehr voraus
Um die BVG mit ihren 14 000 Mitarbeitern für den europäischen Wettbewerb fit zu machen, will der Vorstand massiv Personal abbauen. Neben Abfindungen soll Mitarbeitern demnächst das selbständige Betreiben von Bussen angeboten werden.

Die neuen BVG-Pläne zur schnelleren Sanierung des öffentlich-rechtlichen Unternehmens haben ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Skepsis gibt es insbesondere hinsichtlich der so genannten Ich-AGs, in denen ehemalige Mitarbeiter selbständig Busse im Auftrag der BVG betreiben sollen.

"Wenn es um die Sicherung von Anschlüssen und die Information von Kunden geht, kann das der einzelne Busfahrer ohne zentrale Koordinierungsstelle nicht leisten", sagt Artur Frenzel vom Berliner Fahrgastverband Igeb. Schon heute gebe es in Berlin mit den drei Verkehrsunternehmen BVG, S-Bahn und DB Regio erhebliche Abstimmungsprobleme. Falls es zu solchen Auslagerungen komme, befürchte er ein "gewisses Chaos."

Kritik übt Frenzel auch an den von der BVG geplanten Kürzungen im Streckennetz, beispielsweise dort, wo Bahnen und Busse parallel verkehren. "Wenn irgendwo mehrere Linien fahren, heißt das noch lange nicht, dass da ein gutes Angebot ist." Schon heute würden viele Busse nur alle 20 Minuten verkehren. Auch angesichts der anstehenden Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) fordert der Igeb eine bestimmte Subventionierung durch die öffentliche Hand. "Der Bürger muss sich auf einen gewissen Minimalstandard verlassen können."

Nach Einschätzung des CDU-Verkehrsexperten Alexander Kaczmarek müssten beim Personalabbau vor allem die etwa 1500 Verwaltungsmitarbeiter ins Visier genommen werden. "Ich bezweifle, dass das Projekt Ich-AG funktionieren wird", sagt Kaczmarek und verweist auf den Aspekt Scheinselbständigkeit. Der Abbau von Doppelstrecken hingegen müsse nicht unbedingt schlecht für den Kunden sein, wenn er gut abgestimmt wird.

SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler bewertete es als positiv, dass BVG-Chef Andreas Graf von Arnim "das Sanierungstempo etwas forciert." Zum Thema Ich-AG will sich Gaebler zunächst noch einmal detailliert durch den BVG-Vorstand informieren lassen. "Wichtig ist, dass man an allen Schrauben dreht", sagte Gaebler. Dann habe die BVG auch nach Auslaufen des Bestellervertrages mit dem Land Berlin Ende 2007 eine Zukunft.

Nach Ansicht des Grünen-Verkehrsexperten Michel Cramer ist der rot-rote Senat für die Situation der BVG verantwortlich, indem er beispielsweise Straßenbahnprojekte wie in Adlershof und in der Leipziger Straße gestoppt habe. "Gleichzeitig haben Bus und Bahn durch die permanenten Tariferhöhungen 20 Prozent der Fahrgäste verloren." Der FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke schließlich sieht beim Thema Ich-AGs die Gefahr, das Verkehrsunternehmen "in eine Ansammlung von Mini-Pleitefirmen mit massenhafter Scheinselbständigkeit aufzuteilen."

"Das ist noch nicht das abschließende Konzept, das wir bis zum Sommer erwarten. Bis dahin gibt es noch Abstimmungsbedarf", sagte Petra Roland, Sprecherin von Verkehrssenator Peter Strieder (SPD).

Autor/Agentur: Guido Hartmann
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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