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Schlechter Service für Reisende im Bahn-Zentrum am Zoo

26.07.2005

Lange Schlangen im Reisezentrum - Fahrgäste protestieren - Bahn stockt Kundenberater auf
"Ein Saftladen", schimpft Helmut Kinzel aus Hannover und dreht sich auf dem Absatz um, damit er wenigstens seinen Zug noch erreicht. Sein Anliegen konnte er trotz der Wartezeit von fast einer Stunde nicht klären. So wie er ärgern sich momentan viele Kunden über das Reisezentrum der Deutschen Bahn (DB) im Bahnhof Zoologischer Garten. Die Warteschlangen vor den Schaltern, die teilweise bis aus auf den Bahnhofsvorplatz reichen, sind keine Empfehlung für Berlin. "Aber auch die Mitarbeiter sind frustriert, weil sie den gesamten Ärger und Unmut abbekommen. Deshalb bitten sie unzufriedene Kunden mittlerweile schon offensiv darum, sich zu beschweren", bestätigt Christfried Tschepe, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Igeb, Berichte von Bahnkunden.

Auch Oliver Kaufhold, Sprecher der Gewerkschaft Transnet, stuft die Lage in den Reisezentren, speziell am Bahnhof Zoo, als extrem ein: "Das hängt mit dem massiven Arbeitsplatzabbau zusammen. Vermutlich steckt die Absicht dahinter, die Kunden an die Automaten und ins Internet zu bringen, was ja an sich nicht schlecht ist. Die Strategie jedoch, sich gleichzeitig vom Kunden zurückzuziehen, sehen wir äußerst kritisch. Die qualifizierte Beratung muß parallel aufrechterhalten werden."

Im Gesamtkonzern Deutsche Bahn arbeiten derzeit 190 000 Beschäftigte - 50 000 Beamte und 140 000 Tarifkräfte (Arbeiter und Angestellte). Nach Auskunft der Gewerkschaft sollen 10 000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Der im Februar abgeschlossene Tarifvertrag sehe einen Personalabbau ohne Kündigungen vor. Betriebsbedingte Entlassungen seien für sechs Jahre ausgeschlossen.

In Berlin habe die Bahn auf die massive Kritik am Serviceabbau wenigstens reagiert, sagte Kaufhold. Statt wie geplant von Juni bis Ende des Jahres 28 Vollzeitstellen in den hauptstädtischen Reisezentren abzubauen, sehe die neue Planung nun nur noch fünf vor.

Das Personal im DB-Reisezentrum des Bahnhofs Zoo soll sogar aufgestockt werden, teilte Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert mit. "Wegen der guten Entwicklung im Verkauf werden wir bis zum Jahresende neun zusätzliche Kundenberater für den Reiseservice zum Zoo schicken." Im Vergleich zum Vorjahr seien im ersten Quartal 2005 drei Prozent mehr Fahrkarten am Zoo verkauft worden. Das zur Zeit 64 Mitarbeiter zählende Team werde auf 73 vergrößert. Wie viele Stellen zuvor abgebaut wurden, konnte Ahlert nicht sagen.

Als weitere Gründe für den Engpaß nannte der Bahnsprecher den Anstieg der Zahl der Reisenden in der Sommerzeit sowie einen hohen Krankenstand bei den Bahnbeschäftigten. Eine nennenswerte Zunahme der Beschwerden habe es aber nicht gegeben.

Die hat aber der Fahrgastverband Igeb erhalten. "Die Situation ist ein großes Ärgernis und hängt mit den reduzierten Öffnungszeiten und dem kontinuierlichen Personalabbau zusammen. Am Bahnhof Zoo handelt es sich um das Reisezentrum in Berlin mit der höchsten Kunden-Frequenz. Es gab dort bis Ende vergangenen Jahres 30 Beratungsschalter. Außerdem war bis 23 Uhr und nicht wie jetzt bis 22 Uhr geöffnet", skizziert Tschepe die Veränderungen.

Jetzt gibt es nur noch 18 Schalter für die Kunden der 2. Klasse. Und die sind meistens nicht alle geöffnet. Anstelle der Schalter wurden Automaten aufgestellt. "Die Bahn will so die Kunden ins Internet und an die Automaten umleiten und schraubt deshalb überall den Personal-Service zurück. Eine unkluge Politik für ein Dienstleistungsunternehmen", kritisiert Tschepe.

Bahnsprecher Ahlert hält dagegen, daß die Automaten gerade am Zoo stark in Anspruch genommen würden. Zum Herbst kämen deshalb sechs neue hinzu.

Autor/Agentur: Brigitte Schmiemann
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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