Pressedienst vom 26. November 1999

Alter und immer neuer Ärger mit dem VBB-Tarif und der VBB-Politik

Ärger Nr. 1:
"Das Verkehrs- und Tarifangebot ist fahrgastfreundlich zu gestalten." steht in § 2 Absatz 2 des Berliner ÖPNV-Gesetzes. Für den Berliner Raum (Tarifbereiche A und B in Berlin, Tarifbereich C für das nahe Umland) ist dies gewährleistet. Doch wer von Berlin aus in entferntere Regionen des VBB-Tarifes fahren will, kann den erforderlichen Einzelfahrschein in Berlin entweder gar nicht erwerben oder muss sich mit dem nur schwer verständlichen VBB-Wabentarif auseinandersetzen. Die BVG hat aus Kostengründen keine Automaten angeschafft, die den gesamten VBB-Tarif verkaufen können, und die S-Bahn bereut inzwischen die Anschaffung entsprechender Automaten, da die Erlöse in keinem Verhältnis zu den Kosten stehen.

Erforderliche Konsequenzen:
Kurzfristig muss Berliner Fahrgästen bei Fahrten über den C-Bereich hinaus die Möglichkeit zum Erwerb eines Anschlussfahrscheines zum "Durchlösetarif" und ohne Nachlösegebühr geboten werden, da es nicht verantwortbar wäre, wenn die BVG alle Automaten auswechselt (Kosten: rund 100 Mio. DM), was am Ende doch wieder die Fahrgäste zu bezahlen hätten. Mittelfristig muss der VBB-Tarif so vereinfacht werden, dass ohne nennenswerte Zusatzkosten für die Verkehrsunternehmen alle Automaten alle Fahrausweise verkaufen können. Dass sehr viel einfachere Tarife als der kleinteilige Wabentarif mit seinen für die Fahrgäste zahlreichen Nachteilen möglich sind, zeigen andere Verkehrsverbände ebenso wie die VBB-Zeitkartentarife. Langfristig muss der einfache verständliche Einheitstarif in Berlin erhalten bleiben. (Die Stadt war lange genug geteilt.)

Ärger Nr. 2:
Das derzeitige Tarifsystem ist äußerst kompliziert und "mit der heißen Nadel" gestrickt. Er steckt voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat hierzu eine umfangreiche Untersuchung erarbeitet und in seiner Zeitschrift SIGNAL veröffentlicht.

Erforderliche Konsequenzen:
Kurzfristig müssen die gravierendsten Mängel beseitigt werden. Mittelfristig muss die VBB-Tarifstruktur grundlegend überarbeitet und vereinfacht werden.

Ärger Nr. 3:
Im Rahmen der für den 1. April 2000 geplanten VBB-Tarifänderungen sollen zwar entsprechend unserer vorstehenden Forderung zwei gravierende Mängel (Durchmessertarife, Umwegtarife) beseitigt werden. Doch das reicht nicht. Außerdem ist die Zeit bis zum 1. April 2000 für eine reibungslose Umsetzung der Änderungen schon wieder viel zu kurz, denn für eine in technischer Hinsicht und im Hinblick auf die Fahrgastinformation reibungslose Umsetzung benötigten die Verkehrsbetriebe fünf bis sechs Monate.

Erforderliche Konsequenz:
Sofortige Terminverschiebung und bessere Vorbereitung.

Ärger Nr. 4:
Die Verbundgesellschaft arbeitet beim Tarif nicht mit, sondern gegen die Verkehrsunternehmen. Das zeigte sich bei den Auseinandersetzungen um das Semesterticket für Studenten, das bis heute nicht zustande kam. Das zeigt sich nun erneut bei der für den 1. April 2000 geplanten Tarifänderung für den Flughafen Schönefeld (Einführung eines "Überlappungstarifs" B/C). In punkt 3 vom 28. Oktober 1999 konnten die Fahrgäste hierzu seitens DB Regio und S-Bahn Berlin lesen: "Der wiedergegebene Beschluss bringt lediglich den Willen des VBB-Aufsichtsrates zum Ausdruck. Er ist für die Verkehrsunternehmen in keiner Weise bindend, da eine Abstimmung mit den Verkehrsunternehmen nicht erfolgte." Dieses Durcheinander ist keinem Fahrgast mehr zu vermitteln.

Erforderliche Konsequenzen:
Die Länder Berlin und Brandenburg dürfen diesen Machtkämpfen zu Lasten der Fahrgäste nicht länger tatenlos zusehen und müssen alle Beteiligten, vor allem aber den VBB, daran erinnern, dass sich der VBB und die Verkehrsunternehmen vertraglich zu einer "vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenarbeit" verpflichtet haben und der VBB eine Koordinations- und nicht eine Konfrontationspflicht hat.

Ärger Nr. 5:
Auch gegenüber den Fahrgastverbänden führt der VBB einen Konfrontationskurs. Der unter Herrn Lorenzen abgeschaffte VBB-Fahrgastbeirat wurde von seinem Nachfolger, Herrn Stindt, nicht wieder eingesetzt. Und den Berliner Fahrgastverband IGEB versucht Herr Stindt auszugrenzen: Als auf einem gemeinsamen Diskussionsforum von VBB, ETC, IHK und DVWG "200 Tage VBB" am 10. November 1999 der eingeladene DBV- Vertreter das Referat "Erfahrungen aus Sicht der Fahrgäste" aus zeitlichen Gründen nicht halten konnte und stattdessen einen IGEB-Referenten vermittelte, wurde dies vom VBB unterbunden. Übrigens: Auch die BVG wurde hier ausgegrenzt.

Erforderliche Konsequenz:
Der VBB und insbesondere sein Geschäftsführer muss lernen, mit Fahrgastverbänden und Verkehrsunternehmen auch dann zu reden, wenn sie nicht seiner Meinung sind. Ansonsten ist er fehlt am Platze.

Ärger Nr. 6:
Die unhaltbaren Zustände beim VBB sind auch eine Folge des Desinteresses des bisherigen Berliner Verkehrssenators, Herrn Klemann. Mit seinem Ausscheiden verbinden sich Hoffnungen auf spürbare Änderungen.

Erforderliche Konsequenz:
Der Berliner Fahrgastverband IGEB erhofft und erwartet vom neuen Verkehrssenator, dass er gegen über dem VBB die Fahrgastinteressen direkt und indirekt vertritt, direkt durch stetes Engagement für einfache und bezahlbare Tarife entsprechend den Erfordernissen des Berliner ÖPNV-Gesetzes, indirekt durch Unterbindung kostenträchtiger Grabenkämpfe zwischen VBB und Verkehrsunternehmen, die am Ende die Fahrgäste mit ihren Fahrscheinen bezahlen müssen.

Gerhard J. Curth, Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.