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Pressemitteilung vom 09. September 2011

Gedämpfte Freude über die neuen Flexity-Straßenbahnen der BVG:

IGEB-Pressedienst vom 9.9.2011

Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge ist zu kurz und alle haben weniger Sitzplätze, als von der BVG berechnet

Am 10. September wird die BVG das erste Serienfahrzeug des neuen Straßenbahnzuges vom Typ "Flexity" vorstellen. Der Prozess zur Ablösung der alten Tatra-Fahrzeuge ist eingeleitet. Das ist die gute Nachricht für alle Berliner Straßenbahnfahrgäste, vor allem für diejenigen, die durch Kinderwagen, Rollstuhl, Rollator oder schweres Gepäck in ihrer Mobilität erheblich eingeschränkt sind. Aber leider trüben einige Wermutstropfen die Freude.

Die Berliner Straßenbahn hat in den letzten Jahren insbesondere durch die Neubaustrecken einen enormen Fahrgastzuwachs erfahren. Mit größeren Fahrzeugen würde man die Weichen in die Zukunft für einen wirtschaftlichen Betrieb der Berliner Straßenbahn richtig stellen. Das Abgeordnetenhaus hat deshalb in seinem Eckpunktebeschluss zum Nahverkehrsplan für die fünf nachfragestärksten Metrolinien M2, M4, M5, M6 und M8 die Beschaffung von 40 m langen Flexity-Zügen vorgegeben.

Aber nach dem Willen der BVG sollen mehr als die Hälfte, nämlich 55 der 99 bestellten Züge, nur als Kurzzüge mit einer Fahrzeuglänge von 30 m geliefert werden. Diese Züge können in der Einrichtungsversion gerade einmal 55 Fahrgästen einen Sitzplatz bieten und haben damit eine geringere Sitzplatzkapazität als die bisher eingesetzten Tatra-Züge, in denen pro Zug 66 Fahrgäste einen Sitzplatz finden.

(Die BVG hat für die neuen Flexitys eine neue Zählmethode für die Ermittlung der Zahl der Sitzplätze erfunden. Für die sogenannten "Mutter-Kind-Sitze" mit einer Sitzplatzbreite von ca. 70 cm werden jeweils 1,5 Sitzplätze "berechnet". Tatsächlich wird auf diesen Plätzen im Regelfall nur ein Fahrgast einen Sitzplatz finden, die rechnerischen Kapazitäten werden aber dadurch nicht unwesentlich geschönt. Der 7-teilige 40-m-Einrichtungszug, der von der BVG am 10. September präsentiert wird, hat somit nach BVG-Berechnungen 84 Sitzplätze, tatsächlich stehen jedoch nur 77 Sitzplätze + 2 Klappsitze zur Verfügung.)

Für Metrolinien wie z.B. die M5 (vom Alexanderplatz nach Hohenschönhausen) oder die M8 (zukünftig vom Hauptbahnhof nach Lichtenberg/Marzahn), die im Berufsverkehr schon jetzt regelmäßig überfüll sind, sollen die alten Tatra-Züge, die üblicherweise in Doppeltraktion mit insgesamt 66 Sitzplätzen verkehren, künftig durch kurze Flexitys mit real 55 Sitzplätzen ersetzt werden.

Für den Berliner Fahrgastverband IGEB ist dies alles andere als eine zukunftsweisende Entscheidung für den öffentlichen Nahverkehr. Er fordert die BVG deshalb auf,

  1. Fahrgästen und Öffentlichkeit nicht länger geschönte Kapazitätsberechnungen zu präsentieren und
  2. die Chancen für einen attraktiveren und wirtschaftlicheren Straßenbahnverkehr durch die Beschaffung von mehr 40 m langen Fahrzeugen zu nutzen und die Bestellung entsprechend zu modifizieren. Hier ist auch der Berliner Senat gefragt.

Christfried Tschepe, IGEB-Vorsitzender
Matthias Horth, stv. IGEB-Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. IGEB-Vorsitzender

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.