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„Wir Berliner sind ja nicht doof“

07.01.2019

So sehr nerven U-Bahn-Sperrungen die Fahrgäste
Berlin - Ein schöner Montagmorgen sieht anders aus. Es ist dunkel, es regnet – und dann endet auch noch die U2 plötzlich am Gleisdreieck. Zusammen mit anderen Fahrgästen, die sich über das jähe Ende der Fahrt wundern, steht Jackson Idehen gegen 8 Uhr im U-Bahnhof Gleisdreieck.

Normalerweise hätte der Student in der U2 sitzen bleiben und zur Technischen Universität weiterfahren können, jetzt muss er dreimal umsteigen. „Ich werde zu spät zur Vorlesung kommen“, sagt der 20-Jährige. Was für ein Wochenanfang!

U-Bahn-Sperrungen in der City West

Idehen war nicht der einzige Fahrgast, der am Montag eine böse Überraschung erlebte. Weil die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am Wittenbergplatz Weichen und Gleise erneuern, sind zwei der drei U-Bahn-Linien in der City West gesperrt. Die U2 verkehrt bis 24. Februar nicht zwischen Gleisdreieck und Zoo, die U3 spart sich bis 3. März den Ostteil zwischen Warschauer Straße und Spichernstraße. Die U1 dient als Ersatz – sie fährt im Vier-Minuten-Takt und mit längeren Zügen als sonst.

Die Sperrungen haben am Freitag begonnen. Doch Ende der vergangenen Woche waren viele Berliner noch in den Ferien. Für die meisten war dieser Montag der erste Tag 2019, an dem sie wieder pendeln mussten. Die Zahl der Betroffenen ist mit einem Schlag viel größer geworden.

Mit Muffins auf U-Bahn-Sperrungen hinweisen

„Heute sind viele aus dem Urlaub zurückgekehrt. Und auch die Schüler sind jetzt wieder unterwegs“, sagt Florentina Finke. Auch sie studiert – Medienwissenschaften an der Humboldt-Universität. An diesem Montag hält sie sich aber mit einer anderen Mission in der U-Bahn auf: Im U-Bahnhof Spichernstraße verteilt sie zusammen mit einem Mitstreiter Faltblätter, die auf die Sperrungen und auf Umfahrungsmöglichkeiten hinweisen. Neben ihnen steht ein Karton mit Schokomuffins – Trostspender für genervte BVG-Kunden.

„Für die Älteren sind die Unterbrechungen eine Belastung“, erzählt die Master-Studentin. Insbesondere an der Spichernstraße, wo alle Züge aus Krumme Lanke nun enden und vor der Weiterfahrt mit der U9 ein 200 Meter langer Fußweg durch den Regen zu bewältigen ist. Berlin-Touristen hätten ebenfalls einen erhöhten Informationsbedarf – was nicht verwundere, wenn die Bahn plötzlich nicht mehr weiterfährt. „Die Touristen stehen dann da mit ihrem Reiseführer, der ihnen eine bestimmte Route empfiehlt“, so Finke.

Dann holt sie einen Netzplan hervor. „Ein Tipp zur Umfahrung ist zum Beispiel die S-Bahn zwischen Zoo und Alexanderplatz“, sagte sie. „Auch die U7 bietet sich an.“ Unterm Strich sei ihr Job „ganz entspannt“. Die meisten Fahrgäste hätten es ihr gleich getan – und sich vorab über Umleitungen informiert.

Umfahrungsmöglichkeiten beachten

Ein Pendler aus Schmargendorf hat am Montag darüber Buch geführt, wie seine neue Route funktioniert. „Normalerweise brauche ich von der Wohnung in Wilmersdorf nahe Breitenbachplatz bis zur Alten Jakobstraße in Kreuzberg rund 45 Minuten. Stattdessen waren es 58 Minuten“, lautete sein Fazit.

Normalerweise mit der U-Bahn unterwegs wich er am Montag auf Busse und die S-Bahn aus. „Der Bus 249 soll an der Breite Straße/Ecke Zoppoter Straße um 8.12 Uhr abfahren, kommt aber leider erst um 8.16 Uhr. Als er völlig überfüllt um 8.21 Uhr am Heidelberger Platz eintrifft, ist die S-Bahn schon weg“, beginnt sein Bericht. „Vom Anhalter Bahnhof soll mich der M29er-Bus zum Ziel bringen. Er kommt zum Glück gleich. Zwei Dutzend Fahrgäste steigen ein. Es wird eng. Um 8.55 Uhr trifft der Bus an der Oranienstraße Höhe Waldeckpark ein – acht Minuten später als geplant. 8.59 Uhr bin ich in der Alten Jakobstraße. Glück gehabt, 9 Uhr fängt die Arbeit an.“ Hoffentlich klappt es in den nächsten Tagen besser, sagte der Pendler.

Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB berichtete von anderen Problemen. „Uns wurde mitgeteilt, dass auf der U3 zwischen Spichernstraße und Krumme Lanke zum Teil nur Vier-Wagen-Züge unterwegs sind.“ Der Wagenmangel bei der U-Bahn schlage auch dort durch.

Anstatt U-Bahn, lieber S-Bahn fahren

Sicher, viele Fahrgäste seien länger unterwegs, so BVG-Sprecherin Petra Reetz. Doch von einem Chaos könne keine Rede sein: „Wir Berliner sind ja nicht doof.“ Zwischen Zoo und Alex seien in der Tat viele Fahrgäste auf die S-Bahn ausgewichen – anstatt in der U-Bahn zu bleiben und mehrmals umzusteigen. Ein Ersatzverkehr mit Bussen, wie er gefordert worden ist, würde nicht helfen: „Die Busse blieben im Stau stecken.“

„Ich hatte mich nicht informiert“, sagte Jackson Idehen. Aber auch er hat nun gelernt: „Morgen fahre ich mit der S-Bahn zur Uni.“

Autor/Agentur: Peter Neumann, Ulrich Paul
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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