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Wettbewerb im Nahverkehr

30.01.2019

FDP will Ausschreibung für Berliner Buslinien
Mehr Geld für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) – das ist die aktuelle Devise in der rot-rot-grünen Koalition. Nach dem Willen von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) soll sich die Summe, die das Landesunternehmen für Betrieb und Investitionen erhält, auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verdoppeln. Doch die oppositionelle FDP pocht darauf, dass es nicht nur darum gehen dürfe, zusätzliches Steuergeld in die BVG zu pumpen. Es müssten auch Wege gefunden werden, die Mittel wirtschaftlicher einzusetzen. Nun fordern die Liberalen Ausschreibungen.

Mehr Verkehr möglich

Wettbewerb belebt das Geschäft, er kann Kosten senken und die Qualität steigern. Im Regionalverkehr gilt dieses Motto schon lange, auch in Berlin und Umgebung. Zugbetreiber konkurrieren um die Aufträge, bestimmte Linien für Geld vom Staat zu betreiben. Im Stadtverkehr gibt es bislang keinen Wettbewerb. Doch das sollte sich ändern, sagt der FDP-Verkehrspolitiker Henner Schmidt.

„Ausschreibungen einzelner Linien halte ich durchaus für sinnvoll, um neue Ideen zu fördern und Alternativen zur bisherigen Betriebsweise einzubringen“, sagt er. Ihm geht es vor allem um den Busverkehr. „Dabei müssten die Ausschreibungspakete eine Größe haben, die einen vernünftigen Betrieb erlaubt – also nicht nur eine Linie umfassen.“

Die Verträge, die das Land abschließen würde, sollten die Busunternehmen auch dazu verpflichten, die Fahrzeuge instand zu halten. Gefragt seien „pfiffige Konzepte“. Unabhängige Experten sollten den Zustand der Busse regelmäßig überprüfen. Wichtig sei auch, die Mindestzahl der Busse vorzuschreiben. Ungeregelter Wettbewerb sei nicht das Ziel, so Schmidt. „Ausschreibungen alleine lösen noch kein Problem. Sie müssen auch gut gemacht sein.“

„Die Ausschreibungen in Frankfurt sind eine Erfolgsgeschichte“

Christian Böttger, der sich seit langem mit der Ökonomie des Nahverkehrs befasst, sieht die Idee positiv. „Grundsätzlich sind Ausschreibungen ein sinnvolles Mittel, mit dem sichergestellt werden kann, dass Leistungen kostengünstig erbracht werden. Damit werden Steuergelder eingespart“, sagt der Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. In vielen Landkreisen in Deutschland wird der Linienbusverkehr bereits ausgeschrieben. Dagegen gibt es bei den Ballungsräumen nur eine größere Stadt, in dem ebenfalls Wettbewerb besteht. In Frankfurt am Main schreibt die Nahverkehrsgesellschaft Traffiq, die der Stadt gehört, seit Jahren den Betrieb von Buslinien aus.

Anfangs wurde dort das gesamte Busnetz im Wettbewerb vergeben. Doch seit die SPD 2017 zur schwarz-grünen Koalition im Rathaus hinzugestoßen ist, wird nur noch die Hälfte ausgeschrieben, mit der anderen Hälfte wird nun die städtische VGF direkt beauftragt. „Das ist die Vorgabe der politischen Gremien“, sagt Traffiq-Sprecher Klaus Linek.

„Die Ausschreibungen in Frankfurt sind eine Erfolgsgeschichte“, sagt ein Insider. „Anfangs sind die Kosten massiv gesunken, für das eingesparte Geld konnten zusätzliche Busfahrten bestellt werden. Davon haben die Fahrgäste profitiert.“ Anfangs gab es in einzelnen Fällen Qualitätsprobleme – etwa wenn sich neue Betreiber überfordert zeigten. Doch das habe sich längst eingependelt. Ob eine Linie direkt oder im Wettbewerb vergeben wird, wirke sich nicht auf die Kundenzufriedenheit aus, sagt Traffiq-Sprecher Linek.

Verändert hätten sich aber auch die Kosten, heißt es in Kreisen des Unternehmens: „Sie sind inzwischen wieder gestiegen.“ Ein weiterer Anstieg sei zu erwarten, weil es sonst immer schwieriger würde, neues Fahrpersonal zu gewinnen.

Verband befürchtet Stellenabbau bei der BVG

Darum warnt Christian Böttger vor zu großen Erwartungen in Berlin. „Das Einsparpotenzial bei Bussen ist geringer als bei anderen Verkehrsträgern, bei der aktuellen Vollbeschäftigung sehe ich zudem keine riesigen Einsparpotenziale“, sagt er.

„Absurd! Typisch FDP“, meint Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB zu dem Vorschlag des Abgeordneten. „Wer soll denn die Linienbündel bilden und die Ausschreibungen durchführen?“ Problematisch wäre auch: Wenn die BVG Aufträge verliert, müssten dort Stellen entfallen.

Im Senat will man von Ausschreibungen nichts wissen. Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne): „Vonseiten des Landes ist geplant, die BVG wieder direkt zu beauftragen, und zwar mit dem Gesamtumfang der Leistung.“ Mit ihr wolle Berlin einen umfassenden Verkehrsvertrag abschließen – damit der Marktanteil von Bus und Bahn steigt.

Autor/Agentur: Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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