Wie berichtet, hatte die BVG vorgeschlagen, in Berlin ein Pilotprojekt zu starten, bei dem ein neues Ticketangebot testweise verkauft werden sollte. Damit sollten Fahrgäste den Berliner Nahverkehr innerhalb von 60 Kalendertagen acht-, zwölf- oder 20-mal jeweils 24 Stunden lang nutzen dürfen – für Preise zwischen 44 und 88 Euro. Mit dem Handyticket wollten BVG und S-Bahn, die während der Corona-Pandemie mehr als zehn Prozent ihrer Abo-Kunden verloren haben, Stammkundschaft zurückgewinnen. Weil immer mehr Menschen zu Hause arbeiten, ist die Zahl der Umweltkarten-Abos durch Kündigungen gesunken. Der Rückgang beträgt mehr als zehn Prozent, hieß es. Alternativen werden benötigt – und zwar schnell.
Steigen Anfang 2022 wieder die Fahrpreise?
Im Land Brandenburg wird das Vorhaben aber kritisch gesehen. Das von Guido Beermann (CDU) geleitete Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung äußerte sich skeptisch. An der Ablehnung im Nachbar-Bundesland konnte auch die neue BVG-Chefin Eva Kreienkamp, die mit einigen Verkehrsunternehmen im Nachbarland sprach, nichts ändern. Das Homeoffice-Ticket würde ertragreichere Angebote kannibalisieren – deren Verkaufszahlen würden zurückgehen, die Fahrgeldeinnahmen weiter zurückgehen, so die Kritik. „Viele Betriebe wissen nicht, wie ihre finanzielle Lage künftig aussehen wird“, sagte ein Insider. Wird es einen zweiten Rettungsschirm für den Nahverkehr geben? Anders als in Berlin gebe es in Brandenburg derzeit sogar die Tendenz, für Anfang 2022 eine Tariferhöhung zu verlangen, hieß es. Die Fahrpreise dürften nicht durch neue Angebote sinken, sie müssten steigen – maßvoll.
Dass die BVG ihren Plan erst einmal wieder in der Schublade verschwinden lassen muss, bedeute aber nicht, dass es keine neuen Tickets geben werde, mit denen auf coronabedingte Änderungen der Arbeitswelt reagiert wird, so der Verkehrsverbund. „Die Beteiligten haben es sich zum Ziel gesetzt, die Möglichkeit eines flexiblen Ticketangebots zu eruieren, das die unterschiedlichen räumlichen und verkehrlichen Bedingungen in Berlin genauso wie in Brandenburg berücksichtigt“, so der VBB. Gut möglich, dass der Beschluss noch in diesem Jahr fällt. Eine Umsetzung wäre dann gleich zu Beginn des kommenden Jahres denkbar.
„Ein krachenderes Scheitern kann man sich nicht vorstellen“, kommentierte Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. 2022 sei zu spät, um den Entwicklungen entgegenzusteuern. Bis dahin hätten noch mehr Stammkunden ihre Umweltkarten-Abos bei der BVG und S-Bahn gekündigt.
„Der gemeinsame VBB-Tarif der Länder Berlin und Brandenburg, der 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte Brandenburgs sowie der beteiligten rund 40 Verkehrsunternehmen und seine Gestaltung leben von Diskussion, Austausch und Kompromissfindung unter allen Beteiligten“, hieß es beim Verkehrsverbund. „Dabei werden die finanziellen, politischen und gesellschaftlichen Bedarfe und Rahmenbedingungen intensiv miteinander abgewogen.“ Man kann es auch so formulieren: Für Gebiete, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden. Sie sollen sowohl auf eine Millionenstadt wie auf spärlich besiedelte Landstriche wie die Uckermark passen. Schwierig.