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So sieht der neue U-Bahnhof Museumsinsel aus

09.07.2021

Ein Sternenhimmel im Berliner Untergrund
Die neue U-Bahn-Station Museumsinsel auf der Linie U5 ist fertig – eine Schinkel-Hommage. Am Freitag geht sie ans Netz. Doch der Fahrgastverband ist unzufrieden.
Es kommt nicht häufig vor, dass in Berlin ein neuer U-Bahnhof eröffnet wird. Am Freitag gibt es einen dieser seltenen Anlässe, und einen speziellen noch dazu: Die Station Museumsinsel wird für den Fahrgastverkehr freigegeben.

Als Nachzügler und letzter Bahnhof des als „Lückenschluss“ bezeichneten Projekts zur Verlängerung der U5 vom Alexanderplatz zum Hauptbahnhof geht nun auch die Haltestelle in Berlins historischer Mitte ans Netz. Es wird für viele Jahre die letzte Eröffnung eines neuen U-Bahnhofs in der Hauptstadt sein. Weitere sind noch nicht beschlossen.

Nicht nur das und die ausgesprochen prominente Lage umgeben von Humboldt-Forum, Berliner Dom und den berühmten Museumsbauten machen die Station zu etwas Besonderem. Auch die Gestaltung des Baus selbst ragt aus dem Gros der meisten Stationen heraus: Wer künftig an der Museumsinsel aussteigt, steht unter einem tiefblauen Gewölbe. Dadurch und durch insgesamt 6662 Lichtpunkte an der Decke entsteht der Eindruck eines Sternenhimmels unter der Erde.

Der Schweizer Architekt Max Dudler hat den Bahnhof entworfen und sich dabei vom Berliner Baumeister Karl Friedrich Schinkel inspirieren lassen. „Das ganze Gebiet rund um die Museumsinsel hat Schinkel mit seinen Bauten geprägt. Die Idee, in der Finsternis einen Sternenhimmel zu konstruieren ist eine Hommage an ihn“, sagt Dudler.

Schinkel hatte 1816 einen Nachthimmel als Bühnenbild für Aufführungen der Zauberflöte entworfen. Auch bei der Innengestaltung der Schinkel-Kirche in Neuhardenberg verwendete der preußische Baumeister einen Himmel voller Sterne. Deren Leuchten wollte Dudler mit seinem Entwurf auch in den Berliner Untergrund bringen. Und nicht nur die Sterne strahlen hier. Auch die ultramarinblaue Decke aus Gipskarton selbst scheint zu leuchten.

Für den Architekten ist es nicht die einzige Anlehnung an Schinkel. Dieser habe viel mit Kolonnaden gearbeitet, erklärt Dudler. Und so findet sich auch auf dem Bahnsteig des neuen U-Bahnhofs ein Säulengang, gesäumt von massiven Pfeilern. Wie der Rest der Station mit Ausnahme der Sternendecke sind sie mit einem grüngräulichen Granit verkleidet.

Schinkel entwarf einen Nachthimmel für die Zauberflöte

Den Wettbewerb zur Gestaltung des U-Bahnhofs hatte Dudler schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert, Mitte der 1990er gewonnen. Seit 1995 wird an der Verlängerung der U5 vom Alexanderplatz zum damals noch geplanten Hauptbahnhof gebaut. Zunächst entstand nur die Stummelverbindung zwischen den Stationen Bundestag und Hauptbahnhof, die 2009 fertiggestellt wurde. Seit 2010 arbeitete die damit beauftragte BVG Projekt GmbH dann am 1,6 Kilometer langen Lückenschluss, auf dem auch die Station Museumsinsel liegt.

Während auf dieser Linie am 4. Dezember 2020 endlich der Betrieb aufgenommen werden konnte, ist der Ein- und Ausstieg an dieser einen Haltestelle bislang nicht möglich. Das liegt unter anderem am komplizierten Baugrund. Der U-Bahnhof liegt im Grundwasser direkt unter dem Spreekanal in einer Tiefe von bis zu 20 Metern. Direkt daran angrenzend sind die Fundamente historischer Bauten wie das Kronprinzenpalais.

Um in dem Morast unter der Spree überhaupt bauen zu können, wurde der Boden über Monate großräumig tiefgefroren. Durch den steinharten Untergrund konnte sich dann die Tunnelvortriebsmaschine „Bärlinde“ bohren.

So verzögerte sich die gesamte Eröffnung der Linie, doch der Starttermin für den U-Bahnhof Museumsinsel rückte beständig noch um einige Monate weiter nach hinten als bei der restlichen Verbindung – wenngleich die Betriebsaufnahme in der kommenden Woche nun mehrere Monate früher kommt als noch im Frühling angekündigt. So gingen die Jahre seit dem siegreichen Wettbewerb für Max Dudler ins Land. „Die lange Zeit hat mich nicht gestört“, sagt er. Auch wenn er nicht ganz glücklich damit wirkt.

Durch die Lage unter dem Spreekanal ist die U-Bahnstation eine der tiefsten der Stadt. „Deswegen sind die Wege zum Bahnsteig besonders wichtig. Das sind für uns Raumsequenzen, als wäre es ein unterirdisches Haus“, sagt der Architekt.

Neben dem überall verwendeten Granit ziehen sich auch die schießschartenartig geformten Leuchten in den Wänden durch alle Ebenen des Baus. Die Eingänge wiederum habe man bewusst dezent gehalten, wegen der Lage inmitten der historischen Prachtbauten in der Umgebung.

Im Vergleich zu vielen anderen Berliner U-Bahnhöfen ist diese Station ein besonderer Bau – wie alle Haltestellen entlang der neuen U5. Und das hat seinen Preis: Für den 1,6 Kilometer langen Abschnitt vom Alexanderplatz zum Bundestag sei der Kostenrahmen von 525 Millionen Euro nur um wenige Prozent überschritten worden, teilte die BVG Projekt GmbH zur Inbetriebnahme mit. Dennoch viel Geld für eine verhältnismäßig kurze Strecke. Auch wegen der aufwendig gestalteten Bahnhöfe.

Die Station ist besonders – auch besonders teuer

Dudler hält die Investition dennoch für richtig. „Diese Bauwerke werden mehr als hundert Jahre lang bestehen bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass man hochwertige Bahnhöfe baut. Das fehlt oft bei unseren Infrastruktureinrichtungen.“ Und es solle schön sein, so der Architekt. „Wir wollten kein technisches Wunderwerk entwickeln, sondern Räume, durch die man gerne durchgeht. Es werden Leute nur in die U-Bahnstation gehen, um sich das anzuschauen.“

Die Begeisterung des Architekten teilt Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands Igeb nicht. „Die Euphorie, die nur wegen dem blauen Nachthimmel verbreitet wird, teile ich nicht ganz.“ Besonders stören ihn die massiven Granitpfeiler. Sie machten den Bahnsteig unübersichtlich und eng. Läge die Station nicht an der Museumsinsel in Mitte sondern am Ende einer Linie am Stadtrand „wäre das ein Angstraum“.

Auch verkehrlich habe die Station nicht die größte Bedeutung, sagt Wieseke, da es kaum Wohnungen und Büros im näheren Umfeld gebe. „Es ist ein interessanter Bahnhof, aber er ist mit einem enormen Aufwand errichtet worden. Mit dem Geld hätte man auch eine Menge anderer Dinge bauen können.“ Ab Freitag können sich die Fahrgäste selbst ein Urteil bilden, was sie vom Sternenhimmel im Untergrund halten.

Autor/Agentur: Christian Latz
Quelle: Der Tagesspiegel
Medium: Tageszeitung
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