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Alte Tatra-Straßenbahnen fahren zum letzten Mal durch Berlin

07.05.2021

Die BVG sortiert alte Tatra-Straßenbahnen wegen fehlender Barrierefreiheit aus. Andernorts sind sie beliebt – und werden gut gekauft.
Berlin. 45 Jahre lang waren sie in Berlin zu sehen, nun steht die letzte Fahrt an: Die verbliebenen Tatra-Straßenbahnen verabschieden sich aus Berlin. Schon seit Ende Februar waren die Tatra-Bahnen nicht mehr im regulären Linieneinsatz, wurden aber in den vergangenen Monaten noch als Verstärker-Wagen genutzt, um in der Corona-Pandemie für mehr Abstand in den Fahrzeugen zu sorgen. Zuletzt wurden sie noch auf der Linie M6 insbesondere im Schülerverkehr eingesetzt, auch damit soll an diesem Freitagabend aber Schluss sein.

Ursprünglich wollten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die letzten Tatra-Züge sogar schon Ende 2017 ausmustern. Doch weil damals Fahrzeuge für den Straßenbetrieb fehlten, wurde die Einsatzzeit mehrfach verlängert.

Inzwischen, sagt BVG-Sprecherin Petra Nelken, gebe es aber genügend neue Trams: Den Großteil der Flotte machen aktuell die sogenannten Flexity-Straßenbahnen aus, die seit 2008 beschafft wurden. Die letzte dieser Bahnen soll in diesem Jahr geliefert werden, sodass es dann insgesamt 231 Flexity-Trams gibt. Weitere neue Fahrzeuge, insgesamt bis zu 117, sollen ab Ende 2022 und danach fortlaufend bis 2033 hinzukommen.

Tatra-Straßenbahnen in Berlin sind nicht barrierefrei

Obwohl die noch zu DDR-Zeiten angeschafften Tatra-Straßenbahnen viele Fans haben, gibt es einen klaren Kritikpunkt: Sie sind nicht barrierefrei. Anders als bei den modernen Niederflur-Trams vom Typ Flexity ist das Wageninnere der Tatras nur über einen hohen Einstieg erreichbar – ein Hindernis für Menschen mit Rollstuhl, Kinderwagen oder Gehbehinderung. Die Tatra-Bahnen entsprächen damit nicht den Service-Ansprüchen in Berlin, sagt Sprecherin Nelken, auch wenn sie betont, dass die alten Straßenbahnen „sehr zuverlässig und hochwertig“ seien.

Entsprechend besteht auch durchaus eine Nachfrage nach den alten Zügen. Tatra-Straßenbahnen, die noch in einem guten Zustand seien, würden weiterverkauft, sagt Nelken. „Sie werden auch gut angenommen.“ Die übrigen Bahnen werden verschrottet. Abnehmer für die Züge gibt es vor allem in Osteuropa. Aber auch in Magdeburg sind alte Tatras aus Berlin aktuell noch im Einsatz.

In Magdeburg sind alte Tatras der BVG weiter im Einsatz

Insgesamt acht Triebwagen haben die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) im vergangenen Jahr von der BVG gekauft, die insbesondere auf den Linien 3 und 5 in Sachsen-Anhalts Hauptstadt unterwegs sind. Bei den MVB äußert man sich ebenfalls positiv über die alten Straßenbahnzüge. „Auch wir können eine hohe Zuverlässigkeit bestätigen. Die umfangreiche Modernisierung der Tatra-Wagen in den 1990er-Jahren wirkt sich positiv aus“, sagt Unternehmenssprecher Tim Stein.

Die fehlende Barrierefreiheit sei zwar ein Manko, dafür konnten die Tatras aber helfen, Taktverdichtungen zu erreichen und die Zeit zu überbrücken, bis auch in Magdeburg neue Niederflur-Straßenbahnen eintreffen. Im Fahrplan sei der Einsatz der alten Berliner Fahrzeuge gekennzeichnet, „damit sich unsere Fahrgäste darauf einstellen können und im Zweifel eine andere Fahrt wählen können“, so Stein.

Erste Trams kamen 1976 aus Prager Tatra-Werk nach Berlin

Grundsätzliche Unterstützung für die Entscheidung, die alten Tatra-Bahnen auszumustern, kommt vom Fahrgastverband Igeb. Mit Blick auf die fehlende Barrierefreiheit sei das richtig, sagt Sprecher Jens Wieseke. Aus seiner Sicht hätte die BVG aber ein paar Fahrzeuge behalten können, um diese etwa bei Veranstaltungen oder nach starkem Schneefall für Spurfahrten einzusetzen. „Die können helfen, die Strecke freizubekommen. Mit Niederflur-Fahrzeugen geht das nicht“, so Wieseke, der auch auf die große Bedeutung der Tatras in der Geschichte der Straßenbahnen in der Stadt verweist: „Ohne das Tatra-Programm hätten wir keine Straßenbahn mehr in Berlin“, meint er.

Ab 1976 wurden die Straßenbahnen aus dem Prager Tatra-Werk in Berlin eingesetzt, der erste Zug fuhr im Linienbetrieb auf der Strecke zwischen Betriebshof Weißensee und Hackeschem Markt. Das sogenannte Tatra Programm sollte in der DDR für die großen Neubaugebiete jener Zeit an den östlichen Randbezirken Berlins eine schnelle Verkehrsanbindung sicherstellen. Insgesamt 764 Wagen wurden nach Berlin geliefert, der letzte neue Tatra-Wagen kam 1991 in die Hauptstadt. Bereits Anfang der 2000er-Jahre begann aber die Ausmusterung der alten Fahrzeuge, die nun endgültig abgeschlossen werden soll.

Autor/Agentur: Jessica Hanack
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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