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Beleidigt, bedroht, allein gelassen

15.02.2007

Die Busfahrer der BVG sollen die Sicherheit der Fahrgäste gewährleisten, doch viele haben selber Angst. Eine Kundin erzählt:
Martina Löffler ist eine mutige Frau. Eigentlich. Seit Montag vergangener Woche hat sie allerdings ein mulmiges Gefühl, wenn sie wie fast täglich seit Jahren in den Bus einsteigt. Was, wenn sie bedroht wird? Wer wird ihr helfen? Click here to find out more!

Martina Löffler ist immer noch schockiert von dem, was sie an diesem Montagnachmittag erlebt hat. Gegen 16 Uhr steigt sie an der Haltestelle S-Bahnhof Halensee in den Bus der Linie 104. Schon vorher ist ihr ein junger Mann aufgefallen. An einer Ampel vor der Haltestelle tritt er gegen den Bus, schlägt gegen die Scheiben. Trotzdem lässt ihn der Fahrer einsteigen, so berichtet die BVG-Kundin. Im Inneren geht die Aggression weiter. Der Mann schmeißt mit seiner Tasche um sich, pöbelt. Martina Löffler ist tatsächlich eine mutige Frau. Sie fühlt sich sicher. Der Bus ist gut besetzt, und schließlich ist ja auch noch der Fahrer da. Sie fordert den Randalierer auf, sich zu beruhigen. Die Folge sind üble Beschimpfungen, Beleidigungen, die Martina Löffler nicht wiederholen mag. Schließlich geht der Mann aggressiv auf sie zu. Niemand reagiert. Kein Fahrgast und auch der Fahrer nicht. Die Frau fühlt sich plötzlich doch bedroht, hat Angst, macht sich so klein, wie sie kann, bis sie schließlich aussteigt. "Ich war schockiert", sagt Martina Löffler. "Muss ich mich etwa gegen einen aggressiven jungen Mann selbst verteidigen?" Der Busfahrer bestätigt auf Nachfrage seines Arbeitsgebers den Vorfall. Er habe beim Einstieg zu dem Mann gesagt: "Ich schlage ja auch nicht gegen ihre Wohnungstür." Ja, er habe anschließend laute Geräusche aus dem Wageninneren gehört. Ja, auch Beleidigungen seien gefallen. Aber zwei Haltestellen weiter sei alles vorbei gewesen. Deshalb habe er nicht reagiert.

Gewalt gegen Busfahrer

Christfried Tschepe vom Fahrgastverband Igeb kennt solche Vorfälle. Immer wieder beklagen sich Kunden der BVG, dass sie im Fall von Auseinandersetzungen allein gelassen worden sind. "Natürlich darf so etwas nicht passieren", sagt Tschepe. Er kennt aber auch mögliche Ursachen und verweist auf immer neue Meldungen über Gewalt gegen das Fahrpersonal. "Die Busfahrer sind auch nur Menschen. Ich kann verstehen, dass einige Angst haben." Eine Entwicklung, die auch die Verkehrsbetriebe bestätigen. Zwar sei die Gesamtzahl der Übergriffe auf das Personal 2006 zurückgegangen, doch habe sich die Intensität deutlich erhöht, sagt Sprecherin Petra Reetz.

Eine Aussage, die Martina Löfflers Unmut kaum besänftigen wird. "Niemand erwartet von den BVG-Mitarbeitern, dass sie sich krankenhausreif schlagen lassen, aber eine Durchsage hätte doch vielleicht schon genügt", sagt sie. Ihr Ärger geht aber noch weiter. Die Geschichte hat eine Fortsetzung, bei der die Aussagen im Gegenteil zum Vorfall selbst, erheblich auseinandergehen. Mächtig sauer ruft die geschockte Kundin beim Callcenter der BVG an, schildert ihr Erlebnis und wird, so sagt sie, "unfreundlich abgefertigt, als hätte ich selbst im Bus randaliert". Nach Löfflers Darstellung habe der Callcenter-Agent ihr gesagt, die Busfahrer hätten Anweisung, sich nicht in Auseinandersetzungen einzumischen, um den Fahrplan nicht zu gefährden. Für die BVG-Kundin der zweite Schock nach dem Stress im Bus. "Heißt das etwa, ich muss mir selber helfen, wenn ich bedroht und beleidigt werde. Hauptsache, der Bus ist pünktlich?" Das mag sie nicht glauben, notiert sich für alle Fälle den Namen des Callcenter-Mitarbeiters. Sie will Aufklärung.

Der Callcenter-Mann erinnert sich tatsächlich ebenfalls an das Gespräch, jedoch an einen gänzlich anderen Verlauf. Er habe den Vorfall bedauert und der Kundin gesagt, die Fahrer sollten "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Sicherheit der Fahrgäste realisieren".

Keine körperliche Einmischung

Dafür hätten die Fahrer eine Deeskalationsausbildung, erläutert BVG-Sprecher Klaus Watzlak. Nötigenfalls sollten sie über Funk Hilfe anfordern. Körperlich einmischen sollen sich die Fahrer hingegen grundsätzlich nicht. "Dafür sind sie nicht ausgebildet", sagt Watzlak. All das habe der Mitarbeiter nach seinen Aussagen auch Frau Löffler erläutert, heißt es von der BVG. Zudem erinnere er sich, dass das Gespräch "einvernehmlich" beendet worden sei.

Martina Löffler lacht auf. Ihr Stimmfall wird bitter-ironisch. "Oh ja, und wie", sagt sie. "Wir waren völlig einer Meinung." Den Bus wird sie auch in Zukunft nehmen. Aber das Gefühl wird ein anderes sein.

Autor/Agentur: Markus Falkner
Quelle: Berliner Morgenpost
Medium: Tageszeitung
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