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Weiche sprang nicht um - Fahrgäste fuhren 108 Kilometer Umweg

09.11.2000

Erneute Bahn-Panne: Diesmal fand ein Regionalexpress seinen Weg nicht
Schon wieder hat eine Panne den Eisenbahnverkehr in Berlin gestört. Fahrgäste im Regionalexpress von Cottbus nach Rathenow, die am Montagabend in Berlin-Staaken aussteigen wollten, mussten einen 108 Kilometer langen Umweg in Kauf nehmen. Fahrgastverbände und die Grünen kritisierten, dass die Deutsche Bahn (DB) mit ihrer neuen Technik offenbar nicht zurechtkomme. Am Montag mussten nicht nur die Fahrgäste, die im Spandauer Westen aussteigen wollten, notgedrungen im Regionalexpress 38 146 sitzen bleiben. Auch an den folgenden Stationen Dallgow-Döberitz und Wustermark hielt der Zug nicht. Alle Reisenden waren gezwungen, bis zur Endstation Rathenow, 54 Kilometer von Staaken entfernt, in den drei Doppelstockwagen zu bleiben.

Verspäteter Feierabend

Erst auf der planmäßigen Rückfahrt von Rathenow konnten die Fahrgäste aussteigen. Wer den Zug in Staaken verlassen wollte, kam erst mit 68-minütiger Verspätung ans Ziel. Für die Berufspendler unter ihnen begann der Feierabend nicht wie geplant um 19.25, sondern um 20.33 Uhr.

Eine Weiche vor Wustermark habe "wegen Kälteeinwirkung" nicht gestellt werden können, sagte DB-Sprecher Achim Stauß am Dienstag. Damit der Zug bis zur Endstation Rathenow fahren konnte, sei er auf die eine Hochgeschwindigkeitstrasse geleitet worden. An dieser Trasse gibt es jedoch keine Bahnsteige zum Ein- und Aussteigen. Die Alternative wäre gewesen, den Zug wie bisher auf die parallel verlaufende Regionalstrecke zu leiten. Doch diese endet in Wustermark, wo die gestörte Weiche die Weiterfahrt blockiert hätte.

Nicht die neue Technik, sondern eindeutig "äußere Einwirkungen" hätten das Problem verursacht, sagte Stauß. Die Fahrgäste hätten nicht schon in Spandau informiert werden können, weil die Störung "fast zeitgleich mit der Abfahrt des Zuges" dort bekannt geworden sei.

Der Präsident des Deutschen Bahnkunden-Verbandes, Gerhard J. Curth, machte die zu schnelle Einführung moderner Computertechnik bei der Bahn für den Vorfall mitverantwortlich. "Man hätte schrittweise vorgehen müssen, jetzt werden die Fehler im laufenden Betrieb festgestellt - zum Unmut der Fahrgäste", sagte er.

"Diese Technik ist offenbar so kompliziert, dass es eine Weile dauert, bis alle Fehler beseitigt sind", sagte Florian Müller vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Die Bahn habe die Stellwerksprobleme bei der Wiedereröffnung der Stadtbahn 1998 als "Anfangsschwierigkeiten" dargestellt. Müller verlangt, dass die Bahn die Technik besser testet. Außerdem müsse das Personal richtig geschult werden. Auch die Information der Kunden sollte verbessert werden. Die Bahn müsse sich ihren Nahverkehrskunden gegenüber kulanter zeigen, verlangt Müller. Bei Verspätungen sollte die DB Reisegutscheine austeilen - wie im Fernverkehr, wo es bei Verspätungen von mehr als 30 Minuten 50-Mark-Bons gibt.

Panne auch bei der U-Bahn

Oft reiche jedoch schon eine "Geste der Entschuldigung", weiß Müller: "Manchmal wären die Leute schon froh, wenn sie nur einen Kaffee kriegen." Dies geschah am Montagabend nicht, obwohl der RE 2 Automaten mit Getränken und Imbissen mitführt.

Der Verkehrsexperte der Grünen, Michael Cramer: "Kein Wunder, dass die Bahn in den Konkurs fährt, wenn sie Fahrgäste wegen einer kaputten Weiche 108 Kilometer Umweg fahren lässt."

Auch die Fahrgäste der U-Bahn-Linie 2 hatten unter technischen Störungen zu leiden. Am Montagabend fuhren die Züge nicht bis Pankow, sondern kehrten schon an der Vinetastraße um. Grund: "Eine Stellwerksstörung", sagte BVG-Sprecherin Barbara Mansfield. Am Dienstag von 7.35 bis 9 Uhr legte dann eine "Rechnerstörung" den erst im September eröffneten U-Bahnhof lahm. "Es gab so gut wie keine Informationen", berichtete ein Fahrgast. Erst gegen 10 Uhr rollte der Verkehr wieder planmäßig.

Bahn zeigt Kulanz // Fahrgäste der Deutschen Bahn (DB) haben bei Verspätungen keinen Anspruch auf Entschädigung. Im Fernverkehr vergibt die Bahn jedoch auf dem Kulanzweg Fahrtgutscheine im Wert von 50 Mark, wenn es zu mehr als 30-minütigen Verspätungen kommt.

Bei Problemen im Nahverkehr können Fahrgäste bei der Bahn unter Telefon 0180 3194 195 Kritik anmelden. Der Fahrgastverband Berlin empfiehlt allen, die von der jüngsten Panne betroffen waren, sich bei der Bahn zu beschweren.

Autor/Agentur: Ulrich Paul und Peter Neumann
Quelle: Berliner Zeitung
Medium: Tageszeitung
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