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LAAANGSAAM

12.12.2004

Metrolinien oder Metrolügen? Während sich auf den Hauptstrecken vieles verbessert, verliert man auf Nebenstrecken Zeit. Die taz testet die neue BVG zum Fahrplanwechsel am Sonntag
Wroooom, tschuioooooom. Morgen starten sie also, die neuen Metrolinien der BVG. Und mit ihnen eine umfassende Reform der Nahverkehrs, die für Polarisierung sorgt. Während BVG-Chef Andreas von Arnim die "umfassendste Verbesserung des Verkehrsangebotes der BVG seit 15 Jahren" in den höchsten Tönen lobt, fühlen sich viele Kunden von der Werbung veralbert. Die Wahrheit: Auf den Hauptstrecken verbessert sich manches, auf Nebenstrecken gibt es viele Verschlechterungen.

Diese Einschränkungen könne man aber nicht unbedingt der BVG zum Vorwurf machen, sagt Artur Frenzel vom Fahrgastverband Igeb. Zwar besitze das Unternehmen noch Potenzial, effektiver zu wirtschaften, dennoch werde mit dem neuen Konzept eine politische Vorgabe erfüllt: mit weniger Geld insgesamt die Fahrgäste zu halten. Mehr als 400 Millionen Euro erhält die BVG jährlich von der hoch verschuldeten Stadt.

Wer diese Kosten drücken will, muss wohl mit Einschränkungen des Angebots leben. Es sei denn, das Geld wird bei den Mitarbeitern geholt: durch weitere Lohnkürzungen und Entlassungen. Igeb-Mann Frenzel hält denn auch das Metrolinienkonzept, das Angebot auf nachfragestarken Strecken zu bündeln, für gut. "Der Teufel steckt aber im Detail." Hier einige Beispiele:

BUS
Der M 44 in Neukölln wird zwar verdichtet; dafür müssen aber alle, die von Süden kommen und Richtung Hermannplatz wollen, künftig am U-Bahnhof Hermannstraße in die U-Bahn umsteigen. Das ist lästig und gerade für ältere Leute und Familien mit Kindern beschwerlich - sie verlieren Zeit. Dafür pendelt zwischen den beiden U-Bahnhöfen eine Stummellinie, aber nur alle 20 Minuten.

Der bisherige Bus 167 entfällt: Wer von Treptow/Plänterwald zum Hermannplatz einkaufen will, muss am S-Bahnhof Treptow umständlich umsteigen.

Der Bus 316 vom S-Bahnhof Wannsee nach Potsdam fährt nur noch im 40-Minuten-Takt. In Moabit werden mehrere Buslinien aufgegeben und zum Teil anderweitig bedient. Sechs Haltestellenpaare sollen überhaupt nicht mehr angefahren werden. Besonders absurd: Der Express-Bus nach Tegel soll an der Haltestelle Turmstraße/Beusselstraße nicht mehr halten - weil dort zu viele Fahrgäste ein- und aussteigen. "Will die BVG den Aktenkofferträgern auf dem Weg zum Flughafen nicht die soziale Mischung des Moabiter Binnenverkehrs zumuten?", fragt sich die Igeb-Zeitschrift Signal.

STRASSENBAHN
Die M 1 fährt von Mitte im 10-Minuten-Takt über Prenzlauer Berg nach Pankow. In Pankow gabelt sie sich aber, fährt nur noch im 20-Minuten-Takt nach Rosenthal oder Niederschönhausen - für eine Metrolinie zu selten.

Mit der Bündelung mehrerer Linien auf der Greifswalder Straße zur M 4 fällt der Linienast zum Pasedagplatz in Weißensee weg. Wer dort hinwill, muss auf eine Tramlinie umsteigen, die nur alle 20 Minuten fährt. Schneller ist das nicht.

Ob die Straßenbahn schneller werden kann, liegt aber nicht nur an der BVG. Eine Vorrangschaltung, in anderen Städten Standard, ist etwa auf der Ampellinie 20 (künftig M 10) unbekannt. Allerdings würde auf der Strecke zwischen Prenzlauer Berg und Friedrichshain eine Vorrangschaltung nicht immer Sinn machen, da auch mehrere Tramlinien kreuzen - die Straßenbahnen würden sich gegenseitig die Vorfahrt nehmen.

ABENDS
"Die BVG wird schneller", heißt es. Zumindest bei mehreren Abendverbindungen vom und zum Hackeschen Markt, einem beliebten Ausgehziel in Mitte, trifft dies nicht immer zu. Zum Beispiel, wenn man in der Grunewaldstraße in Schöneberg loswill: Gab es in der vergangenen Woche drei Varianten à 26 bis 29 Minuten, so werden es in der nächsten Woche Varianten von 26 bis 28 Minuten sein. Von der Hittorfstraße in Zehlendorf braucht man in der nächsten Woche abends sogar 5 Minuten länger als bislang, von der Salvador-Allende-Straße in Köpenick aus verringert sich die Fahrzeit um bis zu 4 Minuten.

Geringfügige Änderungen auch für die Strecke von der Wuhletalstraße in Ahrensfelde: Statt bislang 42 Minuten braucht man künftig je nach Variante 40 bis 45 Minuten.

Fazit: Der einzige Grund, diese Strecken am Abend nicht mit dem meist schnelleren Auto zu fahren, liegt darin, dass die Parkplätze am Hackeschen Markt auch abends Geld kosten. Geht man aber zu viert aus, amortisieren sich die Kosten für den Auto-Stellplatz schnell.

Autor/Agentur: Richard Rother
Quelle: TAZ
Medium: Tageszeitung
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