Pressedienst vom 18. Dezember 1999

Fahrgäste und Fahrräder - Fahrräder als Fahrgäste?

War es schon vor Verbundstart reichlich kompliziert, ein Fahrrad im Berlin-Brandenburger öffentlichen Verkehr mitzunehmen (zumindest für gelegentliche Kunden und bei Benutzung mehrerer Unternehmen) so hat sich daran durch den VBB nur wenig geändert.

Nach wie vor gehört der VBB zu den im Bereich der Fahrradmitnahme teuersten deutschen Anbietern.

Nur wenige sonst verlangen dafür den vollen Einzelfahrpreis, noch dazu ohne eine Möglichkeit der Ermäßigung durch Sammelkarten, Tageskarten oder ähnliches (siehe unten) anzubieten. Die neue "Fahrradkarte" zu 5,- DM verhindert lediglich, daß die Kosten über das vorher von der DB bekannte Niveau (bis 100 km in Nahverkehrszügen 6,- DM) steigen.

Zum Vergleich: In ganz Hessen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz (ab 9 Uhr) und großen Teilen Bayerns ist die Radmitnahme generell kostenlos, die meisten anderen Verbünde verlangen dafür den Kindertarif oder Festpreise, die deutlich unterhalb dem VBB-Niveau liegen. Auch der "Premium"-Aufpreis für Monats- und Jahreskarten, nun in ganz Brandenburg erhältlich, ist eine hiesige Spezialität.

Die kostenlose Radmitnahme auf persönliche Zeitkarten wurde in allen Prospekten totgeschwiegen und findet sich erst in den Tarifbestimmungen (Seite 22): Aufgepaßt: Sie gilt nur in den ABC-Bereichen Berlin, Potsdam und Frankfurt! Wieder einmal keine Einheitlichkeit im Verbund, noch nicht mal in den vier "Großstädten" mit ihrem teilweise abweichenden Tarifsystem. Übrigens entgegen anderer VBB-Infomaterialien.

Im übrigen wurden gerade im Bereich Fahrradmitnahme die Konditionen verschärft und damit gegenüber dem alten (TBU-)Tarif verschlechtert. So ist es nicht mehr möglich, für das Fahrrad eine Tageskarte zu nehmen, was für kurze Strecken durchaus eine Alternative zur 5,- DM Radkarte ist. Mehrere Mitnahmen an einem Tag werden so eventuell teurer, auf jeden Fall aber komplizierter.

Selbständige Fahrräder gefragt

Außerdem gilt die VBB-Fahrradkarte bzw. für ein Fahrrad verwendete Einzelkarten immer wie eine Einzelkarte des Flächentarifs, daß heißt, ohne Fahrtunterbrechungs- und Rückfahrmöglichkeit. Jedenfalls muß man das daraus schließen, daß für Fahrten innerhalb der ABC-Bereiche nichts anderes geregelt ist (Tarifbestimmungen, Seite 22).

Ein Radler im Berliner Bereich beispielsweise darf sich somit für seine Fahrt zwei Stunden Zeit lassen, sein Fahrrad jedoch muß beim Umsteigen jeweils den "nächstfolgenden Anschluß" nehmen. Auf diese Weise wäre es vielleicht schneller als "Herrchen" am Ziel, aber die wenigsten Fahrräder dürften sich ohne Begleitung im Nahverkehr zurechtfinden ...

Glücklicherweise hat die Mehrtages-Fahrradkarte der DB die Verbundeinführung ebenso überlebt wie die Vergünstigung zum Schönen Wochenende. Das vereinfacht das Tarifsystem zwar nicht, bietet aber doch eine preisgünstige und flexible, wenn man bereit ist, sich bei der Verkehrsmittelwahl auf DB und S-Bahn zu beschränken. Ein solches Angebot für alle Verkehrsmittel würde viele Probleme lösen.

Wann und wo man das Fahrrad nun eigentlich mitnehmen darf, erfährt man beim Studium der diversen Tarifunterlagen nicht. Man wende sich einzeln an die 35 Verkehrsunternehmen.

Apropos Herrchen

Beim Hund ist das natürlich wieder etwas anders. Der erste Vierbeiner kostet nix, weitere ebenfalls Vollpreis. Hier gilt die Begrenzung auf 5,- DM nicht, dafür ist für Bello eine Tageskarte zulässig.

Haste mal 'ne Fahrkarte?

Über die zahlreichen Möglichkeiten, beim Erwerb einer VBB-Fahrkarte Schwierigkeiten zu haben, ist im Signal und in der Presse in den vergangenen Monaten reichlich berichtet worden. WInterregio können uns deshalb hier etwas kürzer fassen, zumal diese mehr abwicklungstechnische Frage nur begrenzt mit dem Tarifsystem an sich zu tun hat.

Andererseits soll dieser Bereich nicht ganz unter den Tisch fallen, denn die damit zusammenhängenden Probleme - seien sie nun Schuld des Verbundes oder der Unternehmen - sind sicher eines der wesentlichen Ärgernisse im Zusammenhang mit dem VBB.

Für Berliner ist es keine Neuigkeit, daß der Kauf von Verbundfahrkarten in der Hauptstadt nur an ziemlich wenigen Stellen möglich ist. Die Tatsache, daß die BVG ihre Automaten und Fahrscheindrucker im Bus nicht auf den neuen Tarif umgerüstet bzw. erweitert hat, ging durch alle Medien.

Weniger bekannt wurde allerdings, daß die Schwierigkeiten damit noch längst nicht zu Ende sind:

ò Die als Alternative angebotenen personalbesetzten Verkaufsstellen der BVG hatten zumindest bis in den Sommer hinein erhebliche Schwierigkeiten mit der Verkaufssoftware, insbesondere dann, wenn es um nicht von Berlin ausgehende Fahrten ging. So war es zum Beispiel nicht möglich, Einzelfahrscheine von einem anderen Ort nach Berlin auszustellen. Umgekehrt ja, aber kann man eine Streckenkarte einfach auch für die Gegenrichtung verwenden? Die Tarifbestimmungen sagen dazu nichts.

ò Das BVG-Buspersonal hatte gleichermaßen Probleme, auf den stadtgrenzüberschreitenden Linien die außerhalb Berlins hinzukommenden Tarifstufen (zum Beispiel für den Ortsverkehr Falkensee, wo eine Großgemeinde = eine Wabe = 1,60 DM gilt) zu verkaufen bzw. in dem im Bus verwendeten Fahrscheindrucker zu finden.

ò Auch die Automaten der S-Bahn können (entgegen anderer Ankündigung in der Öffentlichkeit) nicht zu allen Zielen, sondern jeweils nur zu einem "örtlich abgestimmten Sortiment" Fahrscheine verkaufen.

ò Der Vorverkauf von Einzelkarten ist (außer für die ABC-Bereiche) nur unter Schwierigkeiten möglich: S-Bahn und DB verlangen etwa die Angabe des Reisedatums (wie bei DB-Fahrkarten) schon beim Kauf, die BVG verzichtet offenbar in der Praxis darauf.

Beides wInterregioft weitere interessante Fragen auf:

ò Bekanntlich gelten solche Einzelfahrkarten "zum sofortigen Fahrtantritt bzw. zum Fahrtantritt an einem vom Fahrgast gewählten Tag" (Tarifbestimmungen, Seite 28) Gleichzeitig aber auch "unter Inanspruchnahme des jeweils nächstfolgenden Anschlusses" (Tarifbestimmungen, Seite 29). Wie soll dies in der Praxis dann kontrolliert werden?

ò Sofern eine solche Fahrkarte zu entwerten ist, wie macht man das, wo es doch außerhalb der ABC-Bereiche keine Entwerter (mehr) gibt?

ò Unklar ist dies auch in den Großgemeinden: Dort ist der Vorverkauf, wie in den ABC-Bereichen weiter möglich, zumindest der besagten Seite 28 zufolge: "...in Stadtverkehren der Großgemeinden und innerhalb des Tarifbereichs Berlin im Vorverkauf und zur Entwertung bei Fahrtantritt bestimmt bzw. im Fahrzeug und zum sofortigen Fahrtantritt." Man versuche also nicht, etwa in Eberswalde mit einem korrekten VBB-Fahrschein, im Vorverkauf erworben, in einen Regionalbus einzusteigen. Zwar fahren beide im Verbund, aber das will ja nix heißen ...

Vorverkauf? Fehlanzeige!

Ärgerlich ist all dies, gerade in Bezug auf den Vorverkauf, auch deshalb, weil die VBB-Nutzer damit um so öfter gezwungen werden, ihre Fahrkarten dInterregioekt vor Abfahrt zu kaufen, mit all den Schwierigkeiten, die dabei wieder durch die örtlich verschiedenen Sortimente, ausgefallene oder keine Scheine annehmende Automaten und nicht zuletzt den berühmten Nachlösezuschlag der DB AG entstehen können.

Besonders ungünstig ist die Situation für Besitzer von Zeitkarten, die über deren Geltungsbereich hinausfahren wollen. Bekanntlich möchte die DB (zumindest hat sie dies zur Abschreckung mehrfach lautstark angekündigt) den Nachlösezuschlag von 5,- DM von denen erheben, die im Zug weiterführende Fahrscheine erwerben wollen. Eine Regelung, die zum Nachteil der Fahrgäste von den Regelungen des DPT (des normalen DB-Tarifs, der überall dort gilt, wo nicht durch Verbünde andere Bestimmungen erlassen werden) abweicht. Dort gilt: Nur Fahrgäste ganz ohne Fahrschein zahlen die 5,- DM, wenn am Abfahrtsort eine Möglichkeit zum Kauf bestand.

Demzufolge muß hier, besonders für den Großraum Berlin mit seinem hohen Anteil an Zeitkartennutzern, der Erwerb von Anschlußkarten deutlich vereinfacht werden. Dabei sind diese selbstverständlich nicht nur ab der Außengrenze C, sondern auch ab der B-Grenze der jeweiligen Tarifbereiche anzubieten!

Auch in der Fläche: "Verbundfahrscheine? Bei uns nicht!"

Zu wenig bekannt ist auch, daß es nicht allein die BVG ist, die den VBB-Tarif nicht verkaufen kann. Versteckt in den Tarifbestimmungen des VBB - Teil D "Tarifbestandteile mit Gültigkeit bei einzelnen Verkehrsunternehmen (Haustarife)" ist für die Unternehmen Verkehrsgesellschaft Prignitz (VGP), Ostprignitz-Ruppiner Personennahverkehrsgesellschaft (ORP) und Regionale Verkehrsgesellschaft Spreewald (RVS) jeweils zu lesen:

"Neben dem VBB-Tarif gelten für Fahrten ausschließlich auf den Linien der ... die Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen der ... Der Verkauf des VBB-Tarifes durch die ... kann erst zu einem späteren Zeitpunkt gewährleistet werden." (Seite 44) Das dürfte für sich sprechen.

Die Prignitzer Eisenbahn kann übrigens sowohl den VBB-Tarif als auch ihren Haustarif verkaufen, obwohl dies aus den Tarifbestimmungen nicht eindeutig hervorgeht. Auch das Schöne Wochenende und die Bahncard werden gemäß telefonischer Auskunft dort weiter anerkannt.

Zuviel und zuwenig Neues im VBB-Tarif

Tarife können eigentlich nur aus zweierlei Gründen kompliziert sein. Entweder es werden zu viele Preisstufen und/oder Fahrscheinarten bereitgehalten, so daß man die Übersicht verliert oder die Prinzipien der Preisbildung sind so kompliziert und schlecht erklärt, daß man sich auch bei einem "schlanken" Sortiment nicht zurechtfindet.

Der VBB-Tarif kann sicher aus beiden dieser Motive kritisiert werden. Wie die bisherigen Ausführungen in dieser Reihe gezeigt haben dürften, liegt der Schwerpunkt aber eindeutig im zweiten Bereich: Die Palette von Fahrkarten ist nicht sonderlich groß, in einigen Bereichen eher noch lückenhaft (siehe unten), während es für das vorhandene Angebot auf möglichst komplizierte Regeln zu achten gilt.

Vom Chaos bei den Kurzstrecken, Umwegen und Fahrradkarten ist schon die Rede gewesen.

Was hätte man alles vereinfachen können?

1. Einzelfahrscheine gelten in den verschiedenen Städten (auch Großgemeinden genannt) jeweils unterschiedlich lang. In Eberswald hat man eine halbe Stunde Zeit für seine Fahrt - was evtl. noch nicht mal reicht, wenn der Anschluß nicht stimmt - in Luckenwalde darf man sich 15 Minuten mehr Zeit lassen. Man mag vielleicht noch nachvollziehen, daß Berlin eine andere Zeitbegrenzung hat als Frankfurt oder Schwedt, daß es aber auch innerhalb der kleineren Orte noch Unterschiede gibt, ist unverständlich. Außerdem ist höchst fraglich, warum in diesem Zusammenhang bei den Großgemeinden von "Stadtverkehren" die Rede ist, während dieser Begriff sonst fehlt. Es bleibt natürlich unklar, was ein Stadtverkehr eigentlich ist (siehe oben). Bedenklich ist dies insofern, als gerade in den kleineren Städten mit ihrem oft mäßigen Angebot an echten Stadtlinien auch die Regionalverkehre für innerörtliche Verkehrsbedürfnisse von Bedeutung sind.

2. Die Großgruppenkarte ist je nach Gültigkeitsbereich eine Tages- oder Einzelfahrkarte, die Kleingruppenkarte dagegen immer eine Tageskarte.

3. Die Begriffe Monats- und Umweltkarte werden in den Veröffentlichungen des VBB nebeneinander verwendet, ohne daß klar wInterregiod, ob es da einen Unterschied gibt oder nicht.

4. Sonderregelungen und -tarife für Ausflugslinien und Fähren bestehen fort. Auch touristische Angebote wie die Welcome-Card gelten weiter nicht auf Ausflugslinien. Besonderheiten der Fähren sind nicht einmal mehr in den Tarifbestimmungen erwähnt.

5. Sonderangebote wie Schönes Wochenende, JWD-Menüticket, Welcome-Card werden jeweils bei einer unterschiedlichen Zahl Verbundunternehmen akzeptiert.

6. Die Kombi-Tageskarte mit der Stern- und Kreisschiffahrt endet um Mitternacht, alle anderen Tageskarten gelten dagegen bis 3 Uhr des Folgetages; bis auf das Schöne Wochenende, mit dem man gemäß bundeseinheitlicher Regelung jeweils bis 2 Uhr am nächsten Tag unterwegs sein kann.

7. Nachdem dies anderswo teils schon lange üblich ist, kann man nun auch im VBB allgemeine Zeitkarten mit gleitender Gültigkeit erwerben. Der Verbund hat sogar an eine Regelung für den Februar gedacht. Seltsamerweise bleibt den Berlinern wiederum diese nützliche Option verwehrt, und man muß weiter nach dem Kalendermonat gehen. In der Hauptstadt scheinen nicht nur die Uhren wInterregioklich anders zu gehen...

8. Beim Zeitkartensortiment gibt es (auch sonst) eine Reihe von Unterschieden zwischen Berlin und dem übrigen Verbundgebiet. So können etwa in Brandenburg auch 7-Tages-Karten zum Ausbildungstarif erworben werden. Dafür gibt es in Berlin zusätzlich verbilligte Sozialtickets und eine Monatskarte für Schüler. Solche Unterschiede fördern zwar nicht grade die Übersichtlichkeit, andererseits sind sie aber (wohl) weit weniger gravierend als manch andere Idee des VBB. Ärgerlich bleibt allerdings, daß es immer noch nicht gelungen ist, den Widerstand der BVG gegen eine Teilzeitkarte (9 Uhr-Karte) zu brechen. Diese wInterregiod nun allein in den brandenburgischen (kreisfreien) Großstädten angeboten.

9. Erstaunlicherweise beginnt die Sperrzeit der 9 Uhr-Karte schon um 3 Uhr früh. Die Bedeutung dieser Einschränkung ist zwar begrenzt, solange es dieses Angebot nicht in Berlin gibt, aber trotzdem wundert man sich, ob der Potsdamer Nachtverkehr zwischen 3 Uhr und dem Morgengrauen wInterregioklich so überfüllt ist, daß man die Inhaber der Karte auf diese Weise vergraulen muß.

Der VBB hat somit leider die Chance vertan, bei seiner Einführung die alten Zöpfe der bisherigen Tarife abzuschneiden oder zumindest (um im Bilde zu bleiben) auf eine Länge zu bringen (und seinen Nutzern so ein "sauberes" System anzubieten.) Statt dessen scheint es, als hätten Verbund und Verkehrsunternehmen sich darauf geeinigt, möglichst viele ihrer "traditionellen" Regelungen unter dem Dach des VBB weiterbestehen zu lassen.

Die dringend notwendigen Nachbesserungen werden nie den Werbeeffekt haben, den eine rechtzeitig durchgeführte Bereinigung gehabt hätte. Auch von daher wäre es besser gewesen, die Einführung des Tarifs noch einmal zu verschieben.

Trotzdem fehlt noch einiges ...

Gleichzeitig hat das VBB-Sortiment aber auch noch einige Lücken.

ò Mit Start des VBB wurden Sammelkarten im Verbundgebiet weitestgehend abgeschafft. Dies ist aus mehreren Gründen zu kritisieren (siehe Kasten) und sollte rückgängig gemacht werden. Nicht zuletzt auch, um gelegentlichen Kunden die Möglichkeit (und den Anreiz) zu geben, Fahrkarten im Vorverkauf zu erwerben, anstatt für jede Fahrt aufs Neue auf die unzulänglichen bisherigen Angebote zurückgreifen zu müssen.

ò Die preisgünstigen VBB-Tageskarten sind kein Ersatz für Mehrfahrtenkarten, da sie keinen Rabatt für mehrere Personen bieten und für Hin- und Rückfahrt erst dann finanziell vorteilhaft sind, wenn man noch eine dritte Fahrt unternimmt.

ò Es fehlt eine Gesamtnetz-Wochenkarte. Vom Preis der Monatskarte ausgehend, dürfte diese allerdings billiger werden als Tageskarten für lange Strecken.

ò Inhaber von AB- und BC-Zeitkarten können für den noch fehlenden Bereich jeweils nur Anschlußkarten für eine Einzelfahrt kaufen. Entsprechende Tages- und Wochenkarten fehlen.

ò Auch bei Wochenkarten sollte es Angebote zur integrierten Fahrradmitnahme geben.

ò Die 9-Uhr-Monatskarte fehlt nicht nur in Berlin. Grundlage solcher Angebote ist ja, daß Anreize zur Benutzung des Angebots außerhalb der Spitzenzeiten gegeben werden sollen. Auch in der Region ist oft eine starke Auslastung der Busse und Züge in der Morgenspitze und deutlich geringere Nachfrage zu anderen Zeiten feststellbar, schon wegen der dort größeren Bedeutung des Schülerverkehrs. Von daher wäre dieses Angebot also auch in der Fläche denkbar. Vielleicht fehlt es ja dort auch nur deshalb, damit die Sonderrolle Berlins in dieser Angelegenheit nicht so auffällt...

ò Ähnlich wie beim Durchmesserticket im Bartarif gibt es im Zeitkartenbereich die absonderliche Situation, daß man für die neue Kombination Berlin plus Landkreis(e) in jedem Fall den kompletten ABC-Bereich kaufen muß, auch wenn man vielleicht A oder C gar nicht braucht. Für einen Teil der Fläche hat man außerdem immer doppelt bezahlt, nämlich für den Teil der gewählten Kreis(e), die auch im Berliner Bereich C liegen. Daher wäre die Kombination AB bzw. BC + Landkreis(e) zu ergänzen.

Nie mehr stempeln: Ein (verspäteter) Nachruf auf die Sammelkarte

Nachdem sie schon 1997 im Rahmen einer Alphabetisierungskampagne aus Berlin verschwunden ist, kam sie nun mit Verbundstart auch in Brandenburg auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Fahrscheintypen: die Mehrfahrtenkarte, auch als Vierer- oder Sammelkarte bekannt.

Das ist ärgerlich und unverständlich, denn wie die Erfahrung zeigt, gehören diese Karten in vielen Regionen und Verbünden (zum Beispiel Hannover, Karlsruhe, München, Rhein-Ruhr, Rhein-Sieg, Stuttgart) zu einem abgerundeten Angebot.

Das hat seine Gründe: Für den gelegentlichen, aber doch nicht ganz seltenen Fahrgast ist die Sammelkarte zunächst wegen des Preisvorteils attraktiv, der ihm durch den Mengenrabatt eingeräumt wInterregiod. Auch mehrere Personen, die zusammen einzelne Fahrten unternehmen, profitieren davon. Damit fällt auch der Kostenvergleich durch die Brille des Autofahrers - Motto "beim Autofahren zahl' ich ja nur das Benzin, aber wenn ich mal Bahn fahre, ist das so teuer" - etwas besser aus.

Zweitens hat man mit der Sammelkarte meist einen Fahrschein zur Hand und muß sich entsprechend seltener mit den Modalitäten der jeweiligen Automaten, Verkaufsstellen usw. herumschlagen. Davon profitieren auch die Verkehrsunternehmen.

Anders ausgedrückt: Ohne Sammelkarte fehlt der Anreiz - und meist auch die Möglichkeit - nicht bei jeder Fahrt aufs Neue zum Busfahrer zu marschieren und ihn mit Anhören meiner Wünsche, Bedienen des Druckers, Kassieren und Herausgeben vom Fahren abzuhalten. In der Summe aller Einzelkäufer kommt doch einiges zusammen an Zeitverlusten für die Fahrgäste und Kosten für den Betrieb.

Nun ist sie also (fast) ausgestorben - nur bei der Strausberger Eisenbahn und der Nauener Stadtlinie gibt es noch Viererkarten. Insbesondere die DB hielt dieses Angebot wohl für altmodisch und überflüssig. Damit ist zum einen natürlich der Verbundtarif noch einmal mehr verkompliziert worden, zum anderen erscheint der VBB damit keineswegs sonderlich progressiv, da auch Verbundgründungen der letzten Zeit (etwa VRB Braunschweig, VSN Südniedersachsen, Oberelbe) dieses Angebot in ihre Programm aufgenommen haben.

Das darf nicht so bleiben! Zehn Forderungen für einen besseren VBB-Tarif

1. Information verbessern (Endkunden und Verkehrsunternehmen)

2. Grafische Darstellung des Netzes auf Wabenplan

3. Möglichkeiten zum Fahrscheinerwerb inclusive Vorverkauf drastisch verbessern - ersatzweise als Minimum einen "Antrittsfahrschein" überall anbieten, der auf den Regelpreis im Zug und an besetzten Verkaufsstellen in Zahlung genommen wird

4. Tarifsystem harmonisieren, Sonderregelungen und unterschiedliche Bedeutungen desselben Begriffs abbauen

5. Preisbildung vereinfachen, insbesondere im Bartarif, aber Sortimentslücken schließen

6. Anerkennung des VBB-Tarifs in Interregio- und D-Zügen

7. Vor weiteren Preiserhöhungen preisgünstigere Angebote mit (räumlich oder zeitlich) eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit schaffen

8. Kein Nachlöseentgelt erheben, wenn am Start-Bahnhof bzw. der Start-Haltestelle nicht die Möglichkeit zum Fahrkartenkauf bestand

9. Angebot des Zeitkartensortiments als Tages- und 7-Tages-Karte (zum Beispiel Landkreis, zwei Landkreis, Netz, beliebige Anzahl von Waben)

10. Einführung einer (Netz-)Tageskarte für maximal 10,- DM.

Einige Anmerkungen zum Schluß

Auch wenn unsere Auseinandersetzungen mit dem Tarifsystem eine ganze Menge großer und kleiner Stolpersteine zutage gefördert haben, so können wInterregio damit doch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Die hier aufgeführten Merkwürdigkeiten und Kritikpunkte ergeben sich alle aus vom VBB oder einzelnen ihm angeschlossenen Verkehrsunternehmen veröffentlichten Informationsmaterialien. WInterregio haben diese studiert mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand und dem Hintergrundwissen von Fahrgästen, die sich gelegentlich auch außerhalb des VBB-Territoriums bewegen.

WInterregio haben aber darauf verzichtet, den Hintergrund jedes einzelnen Details näher zu erforschen, weil dies wohl kaum eine Aufgabe für den normalen Nutzer sein kann.

In den letzten Wochen deutete sich an, daß dieser Bericht in manchen Punkten von der Realität eingeholt werden könnte. Pressemeldungen zufolge plant der VBB, im nächsten Jahr das Tarifsystem in einigen hier angesprochenen Punkten zu verändern und einige Mängel zu beseitigen (Stichwort Schönefeld). Im Interesse der Fahrgäste freut uns dies natürlich. Allerdings sind die Meldungen zu möglichen Änderungen bisher widersprüchlich und die Details der neuen Regelungen noch nicht bekannt.

WInterregio hoffen daher, daß der Lern- und Verbesserungswille des VBB, aber auch der übrigen Beteiligten, von Dauer ist und ausreicht, nicht nur einzelne Details zu korrigieren, sondern zu einer umfassenden Überarbeitung des Tarifs zu gelangen. Daran arbeiten wInterregio gerne mit und bringen unsere Erfahrungen ein.

© Berliner Fahrgastverband IGEB e.V.