Pressemitteilung vom 12. Juli 2021
Barzahler dürfen im BVG-Busverkehr nicht ausgeschlossen werden!
Berliner Fahrgastverband IGEB fordert den Berliner Senat auf sicherzustellen, dass auch künftig Fahrscheine mit Bargeld gekauft werden können – in den Bussen ebenso wie in den Straßenbahnen.
„Vordereinstieg beim Bus startet wieder“, meldete die BVG am 8. Juli und erläuterte, wie mit der überfälligen Beendigung dieser Corona-Maßnahme der Schutz vor Ansteckungen dennoch gewahrt werden soll – und die Busse dabei zugleich schneller werden sollen:
1. „Um eine gute Durchlüftung der Fahrzeuge und einen Fahrgastwechsel mit möglichst viel Abstand zu gewährleisten, bleibt der Zustieg mit gültigem Ticket weiterhin auch durch die hinteren Türen möglich.“
2. „Parallel zum Öffnen der Vordertüren startet am Montag der rein kontaktlose Ticketverkauf. (…) So wird ein naher und längerer Kontakt zwischen dem Fahrpersonal und den Kund*innen vermieden.“
3. „Neben der Kontaktreduzierung erwartet die BVG als positiven Effekt auch eine Zeitersparnis. Der Fahrscheinerwerb an jeder Haltestelle wird voraussichtlich sehr viel schneller erfolgen, die Abfahrt damit zügiger.“
Also ALLES GUT? Keineswegs! „Corona“ muss als Begründung für auch schon vor der Pandemie erforderliche und mögliche Verbesserungen herhalten – und als Begründung für ebenfalls schon vor der Pandemie geplante Verschlechterungen für die Fahrgäste.
Zu 1.
Seit Jahren hat der Berliner Fahrgastverband IGEB gefordert, dass der Zwang zum Vordereinstieg bei den Bussen der BVG abgeschafft wird und die Fahrgäste an allen Türen einsteigen dürfen. Das kann die Aufenthaltszeit der Busse an den Haltestellen messbar reduzieren. Diese überfällige und äußerst sinnvolle Maßnahme nun ausschließlich als Corona-Schutzmaßnahme zu begründen, ist befremdlich und weckt den Verdacht, dass die BVG diese Regelung nach der Pandemie wieder abschaffen will.
Zu 3.
Ob der Fahrscheinerwerb mit Karte statt Bargeld die Aufenthaltszeit der Busse an den Haltestellen tatsächlich messbar reduziert, bleibt abzuwarten. Oft haben Fahrgäste mit Fragen an die Busfahrer mehr verzögert als der Ticketkauf mit Bargeld. Und Fragen sind ja jetzt wohl auch (wieder) möglich. Weil aber die oben genannte Erlaubnis, an allen Türen einzusteigen, nachweislich zur Beschleunigung des Busverkehrs führt, wird durch die Gleichzeitigkeit beider Maßnahmen der Effekt des kontaktlosen Zahlens nicht messbar sein. Übrigens: Die mit Abstand größte Beschleunigung beim Busverkehr würde erreicht, wenn Senat und Bezirke endlich die von der BVG geforderten 50 km Busspuren realisieren würden.
Zu 2.
Die Abschaffung der Barzahlung beim Ticketkauf im Bus als Corona-Schutzmaßnahme zu verkaufen, ist schon dreist. Bereits seit Jahren erschwert die BVG den Barzahlern den Ticketkauf in der Straßenbahn, in dem die Automaten gar kein Bargeld oder zumindest keine Scheine annehmen. Auch beim Busverkehr geht es jetzt ausschließlich darum, die Kosten des Betriebs durch Beendigung der Bargeldannahme zu reduzieren.
Auch beispielsweise bei Supermärkten und Discountern würden die Betriebswirte lieber heute als morgen die Bargeldannahme einstellen. Wer damit anfängt, würde aber Kunden an die Konkurrenz verlieren. Denn es gibt Menschen, die aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen oder wegen ihres Alters (Kinder ebenso wie Hochbetagte) nicht mit Girokarte oder Smartphone, sondern (zumindest auf absehbare Zeit) nur mit Bargeld bezahlen können. Die BVG als Monopolist glaubt nun offensichtlich, auf diese Kunden keine Rücksicht nehmen zu müssen. Dabei sind gerade diese ganz besonders auf öffentlichen Nahverkehr angewiesen.
Deshalb fordert der Fahrgastverband IGEB den rot-rot-grünen Senat auf, sich seiner Verantwortung für die Menschen zu stellen, die aus den genannten Gründen auch künftig darauf angewiesen sind, sich in Bus oder Straßenbahn eine Fahrkarte mit Bargeld zu kaufen. Das betriebswirtschaftlich verständliche, aber verkehrspolitisch falsche und vor allem unsoziale BVG-Pilotprojekt muss beendet werden und darf vom Senat nicht als dauerhafte Regelung genehmigt werden.
In der Corona-Pandemie haben Busse und Bahnen erschreckend viele Fahrgäste verloren. Diese müssen zurückgewonnen werden. Stattdessen werden mit der Abschaffung der Bargeldzahlung Fahrgäste verschreckt bzw. ausgeschlossen.
Christfried Tschepe, Vorsitzender Berliner Fahrgastverband IGEB
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender Berliner Fahrgastverband IGEB