Pressemitteilung vom 19. Dezember 2024
Unverantwortliche Einsparungen im Verkehrshaushalt
Der Prozess und das Ergebnis zeugen von politischem Dilettantismus.
IGEB zu den geplanten Einsparungen beim Öffentlichen Verkehr in Berlin
Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert Gestaltungsspielräume für die Senatsverkehrsverwaltung und die Verkehrsunternehmen bei der Umsetzung der Sparvorgaben.
Am 14. Dezember 2023 hat das Abgeordnetenhaus von Berlin den Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025 beschlossen. Heute, ein Jahr später, soll das Abgeordnetenhaus für 2025 Kürzungen von 3 Milliarden Euro beschließen. Auch der Verkehrshaushalt ist von drastischen Einsparungen betroffen. Die Auswirkungen insbesondere auf die BVG und die S-Bahn sowie auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sind dramatisch. Dabei wissen alle, dass mehr und nicht weniger investiert werden muss: bei den Strecken und bei den Fahrzeugen.
Der eigentliche Skandal sind aber Zeitpunkt und Verfahren der festgelegten Einsparungen.
- Mit dem Doppelhaushalt sollte für 2025 Planungssicherheit geschaffen werden. Wenn dann aber wenige Monate vor Beginn des Jahres 2025 für den beschlossenen Haushalt gewaltige Einsparvorgaben gemacht werden, löst das maximales Chaos und Handlungsunfähigkeit der Verwaltung aus.
- Wenn die Einsparvorgaben von zwei Herren der Koalition hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden und die Fachleute der Fraktionen und Senatsverwaltungen hinterher bestenfalls Schadensbegrenzung betreiben können, darf man sich nicht wundern, wenn die Ergebnisse so unstrukturiert und widersprüchlich sind.
- Bizarr wird es auch, wenn die einsamen Verhandler die Sparvorgaben missbrauchen, um Verkehrspolitik durch die Hintertür zu machen. Ein Beispiel: Im Titel 68253 „Zuschüsse an die BVG für die Planung von Neubauvorhaben“ wurden 5 der 23 Mio Euro gestrichen. Die BVG könnte nun also prüfen, wie sie die Planungen sinnvoll streckt. Aber dann haben die Herren in der Spalte „Bemerkung“ eingetragen: Streichung der Straßenbahnplanung Alexanderplatz bis Potsdamer Platz/Kulturforum und Johannisthal–Gropiusstadt. Bei beiden Planungen sind jedoch bereits Mittel in Aufträgen gebunden, so dass Schadenersatzforderungen drohen. Und für beide Projekte gibt es eine Beschlusslage und eine fachliche Befürwortung.
- Ein weiteres Beispiel ist das „29-Euro-Ticket“ für Berlin AB. Als es am 1. Juli 2024 eingeführt wurde, sollte die Haushaltslage bekannt gewesen sein. Dem einen Fehler folgte jetzt der zweite: Für 2025 wurden sämtliche Mittel für dieses Ticket gestrichen. Dabei hatten die Fahrgäste dieses Abo für ein Jahr abschließen müssen. Dem Land Berlin schien das gleichgültig zu sein. Nach einer Fülle widersprüchlicher Aussagen gibt es nun wenigstens eine vernünftige Regelung, indem alle Abonnements zum Preis von 29 Euro in das Deutschlandticket überführt werden.
- Unverständlich und unverantwortlich ist, dass auf viele Millionen an Einnahmen verzichtet wird, indem der lächerlich niedrige Preis für die Anwohnerparkausweise nicht endlich angehoben wird, aber Beträge weit unter einer Million gestrichen werden, die den öffentlichen Verkehr attraktiver machen würden. Als Beispiel sei die seit 20 Jahren überfällige Überdachung und Beleuchtung des Umsteigeweges zwischen S-Bahn und U-Bahn auf dem Stuttgarter Platz genannt, die gestrichen wurde (Titel 72018).
Die Notwendigkeit zu Einsparungen hat es immer wieder gegeben. Aber der Prozess, wie in einem sorgfältig aufgestellten und beschlossenen Haushalt kurz vor Beginn des Haushaltsjahres gravierende unstrukturierte Einsparungen vorgenommen wurden, zeugt von beispiellosem Dilettantismus der CDU/SPD-Koalition.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert zur Schadensbegrenzung,
- dass Planungen und Projekte zum Ausbau der Infrastruktur nur gestreckt und nicht gestrichen werden,
- dass die Zielnetze und Prioritäten von den Fachleuten in den dafür vorgesehenen Planwerken (Nahverkehrsplan, Stadtentwicklungsplan) festgelegt werden und nicht von Haushaltspolitikern,
- dass das Deutschlandticket zum zentralen Abo für alle ausgebaut wird, auch für Schüler, Azubi und Inhaber des „Sozialtickets“, und dass Berlin auf weitere tarifliche Alleingänge verzichtet,
- dass ausreichend Gelder für die Aufrechterhaltung der bestellten Angebote von S-Bahn und BVG zur Verfügung stehen und dafür die längst vorhandenen Konzepte für teurere Anwohnerparkausweise umgesetzt werden.
Ein attraktiver und leistungsfähiger öffentlicher Verkehr ist aus sozialen, verkehrlichen und klimapolitischen Gründen zwingend erforderlich.
Christfried Tschepe, Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender
Matthias Gibtner, stv. Vorsitzender