
Pressemitteilung vom 17. Mai 2010
IGEB lehnt VBB-Tariferhöhung für Berlin ab
Fahrgastverband vermisst die versprochene Strukturreform
Der Berliner Fahrgastverband IGEB lehnt eine Erhöhung der Nahverkehrstarife in Berlin zum Jahresanfang 2011 ab. Zum einen wird den Fahrgästen zu dieser Zeit noch immer nicht das vollständige Leistungsangebot der S-Bahn zur Verfügung stehen. Zum anderen fehlt weiterhin das 2006 versprochene Konzept für die überfällige Strukturreform beim VBB-Tarif.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB erinnert nochmals an die richtigen und wichtigen, aber nach über drei Jahren noch immer nicht eingelösten Absprachen vom Oktober 2006:
"Wir haben uns heute in offener Atmosphäre mit dem VBB, der S-Bahn, DB-Regio und der BVG über die Tarifstruktur des ÖPNV in Berlin und Brandenburg ausgetauscht. Unter den Teilnehmern konnte Einigkeit erzielt werden, dass wir in Berlin und Brandenburg eine Tarifstruktur benötigen, mit der es gelingt, mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen und stabile Kundenbeziehungen aufzubauen. Die derzeitige Tarifstruktur wird in den nächsten Monaten von den Verkehrsbetrieben, den beiden Bundesländern und dem VBB überarbeitet", erklärte Berlins Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer am 9. Oktober 2006 laut Senatspresseinformation. Und weiter: "Eine nachvollziehbare transparente Tarifstruktur, die bis zum Jahr 2010 angelegt sein sollte, muss durch Verlässlichkeit und Verbindlichkeit den Kunden gegenüber dauerhaft Fahrgastverluste verhindern."
Demgegenüber hat der Berliner Fahrgastverband IGEB wiederholt seine Vorschläge für eine Tarifstrukturreform der Verwaltung und den Verkehrsunternehmen unterbreitet und für Berlin beispielsweise gefordert:
- Einführung einer Umsteigeberechtigung beim Kurzstreckentarif
- Wiedereinführung der "2-Stunden-Rückfahrt" beim Einzelfahrausweis
- Preisreduzierung bei den überteuerten Kleingruppenkarten
- Korrektur der überteuerten Tageskarte im Ermäßigungstarif
- Abschaffung der separaten Preistabelle Fahrradtarif für Einzelfahrkarten, stattdessen: Ermäßigungstarif = einheitlicher Tarif für Kinder, Fahrräder und großes Gepäck
- Aber: Beibehaltung des Einheitstarifs ABC für Berlin und Umland
Übrigens: Die letzte Tariferhöhung fand nicht am 1.4.2008, sondern am 1.4.2010 statt: Das in Berlin und Brandenburg geltende VBB-Seniorenticket wurde von 45 auf 47 Euro pro Monat verteuert (+4,4%).
Christfried Tschepe, Vorsitzender
Matthias Horth, stv. Vorsitzender
Jens Wieseke, stv. Vorsitzender
Anhang
10.Oktober 2008
VBB-Tarife – Anforderungen aus Sicht des Berliner Fahrgastverbandes IGEB für die Tarifstruktur im Berliner ABC-Bereich
- Die Weiterentwicklung des VBB-Tarifs soll unter dem Aspekt der Schaffung einer einfachen, für den Fahrgast klar nachvollziehbaren Tarifstruktur erfolgen. Verkehrspolitisches Ziel soll dabei auch die Neu- bzw. Rückgewinnung von Fahrgästen sein.
- Die zum 1.4.2008 erfolgten Tarifstrukturänderungen enthalten einige kleinere, positive Verbesserungen (z.B. Einführung der Mehrfahrtenkarte, Veränderung der Altersgrenze bei Ermäßigungstarifen), machen aber angesichts der vorhandenen Widersprüchlichkeiten und einzelnen komplizierten Regelungen des VBB-Tarifs deutlich, dass weiter dringender Handlungsbedarf für eine Reformierung besteht.
- Voraussetzung ist dazu die Beibehaltung des leicht nachvollziehbaren ABC-Tarifs für Berlin und Umgebung.
- Das sehr ungünstige Verhältnis zwischen Einzelfahrschein und Monatskarte muss deutlich zugunsten einer stärkeren Kundenbindung durch Monatskarte / Jahreskarte verändert werden. Eine Monatskarte AB rechnet sich z.B. für den Fahrgast zurzeit erst nach mehr als 34 Fahrten je Monat, im Vergleich zum Sammelkartentarif sogar erst nach 36 Fahrten je Monat.
- Der bei Monats- und Jahreskarten gewährte Zusatznutzen (Übertragbarkeit, Mitnahmeregelung von weiteren Personen in den Schwachverkehrszeiten) soll auch zukünftig ohne Zusatzkosten möglich bleiben.
- Die „gleitende“ Monatskarte soll ebenfalls ohne Zusatzkosten erhalten bleiben, auch die 10-Uhr-Monatskarte soll als gleitende Monatskarte angeboten werden.
- Für 10-Uhr-Karten und Fahrradkarten sollten auch Abos und Jahreskarten mit den üblichen Rabattierungen angeboten werden.
- Die Wiedereinführung der Sammelkarte wird im Interesse einer vereinfachten Handhabung für die Fahrgäste und einer stärkeren Kundenbindung begrüßt. Sie sollte auch für Ermäßigungs- und Kurzstreckentarife angeboten werden und generell eine mindestens 10%ige Rabattierung vorsehen.
- Ein Einzelfahrschein innerhalb Berlins sollte auch für Hin- und Rückfahrten innerhalb eines Zeitraums von 2 Stunden Gültigkeit haben, um tarifliche Härten und ggf. die nicht bestehende Umsteigeberechtigung im Kurzstreckentarif zu kompensieren.
- Der Kurzstreckentarif sollte modifiziert werden durch Einführung einer Umsteigeberechtigung auch bei Straßenbahn- und Buslinien (wie z.B. in Potsdam), um tarifliche Härten zu vermeiden und die gravierenden Fahrgastverluste insbesondere im Kurzstreckenverkehr zu kompensieren.
- Stärkere Kundenbindung insbesondere bei Gelegenheitsfahrgästen:
- Wiedereinführung einer Freizeitkarte als „Einstiegsangebot“ (nur abends und am Wochenende gültige Monatskarte, während der übrigen Zeiten gilt der Ermäßigungstarif).
- Einführung von besonderen Angeboten für Senioren: Seniorenmonatskarte (ggf. mit zeitlicher Einschränkung) oder„Senioren-Abos“(z.B. 10 Fahrten im Monatsabo zum Ermäßigungstarif)
- Deutliche Preisreduzierung der für Familien relevanten Kleingruppentageskarten auf das Preisniveau anderer Tarifverbünde (zurzeit 15,40 €).
- Beibehaltung der günstigen Tarife für Schülermonatskarten, um die sehr teuren Ermäßigungstarife bei Einzelfahrscheinen und Tageskarten zu kompensieren, aber Einführung von vereinfachten Regelungen und Verkaufsmodalitäten für das Geschwisterticket.
- Einführung des Sozialticket S als „normaler“ Bestandteil des Verbundtarifs.
- Anerkennung des Citytickets der DB AG im gesamten Stadtgebiet („AB“), wie in allen anderen deutschen Städten auch.
- Bereinigung der Vielzahl von besonderen Touristenfahrkarten: CityTourTicket, Welcome-Card, WelcomeCard Premium, deren unterschiedliche Regelungen nirgends nachvollziehbar erläutert sind.
- Verschiebung der Tarifgrenzen auf Bahnhöfe/Haltestellen, um Doppeltarifierungen zu vermeiden („Grenzbahnhöfe“ sollten jeweils in 2 Tarifgebieten liegen).
- Anerkennung der Anschlussfahrscheine für den C-Tarif uneingeschränkt bei allen Fahrausweisen und Zeitkarten.
- Klare tarifliche Definition von „Transitregelungen“ bei Linien, die nur kurz das Berliner Tarifgebiet AB verlassen (z.B. OL 260 oder 395); bisherige „Kulanzregeln“ sind aus Fahrgastsicht nicht nachvollziehbar und „unsicher“.
- Korrektur der mit der Tarifänderung zum 1.4.2007 eingeführten Verkomplizierungen und Widersprüchlichkeiten wie z.B.
- Wiedereinführung der Regelung Ermäßigungstarif = Fahrradtarif (erspart die neu eingeführte „Tarifreihe Fahrrad“),
- Korrektur des überteuerten Tarifs der Tageskarte Ermäßigungstarif, die sich - abweichend von allen anderen Tageskarten - erst nach 4 Fahrten rechnet.
Matthias Horth, stv. Vorsitzender